Pretty Little Liars - Vogelfrei: Band 8
ganz neutral zu wirken. »Wie meinst du das?«
»Ich kann es dir nicht genau sagen, aber die Unterschiede sind deutlich.«
Die Glocke am Tresen läutete und die Kellnerin holte zwei Teller mit Essen, unter deren Gewicht sie leicht zu schwanken begann. Emily wünschte, sie könnte Carolyn die Wahrheit über Ali erzählen, aber sie hatte Ali schwören müssen, ihr Geheimnis für sich zu behalten. Wie lange Ali wohl behaupten würde, sie sei Courtney? Bis sie volljährig war? Für immer?
Carolyn zog eine Augenbraue hoch und schaute aus dem Fenster. »Sag mal, ist das nicht Officer Wilden?«
Emily drehte sich um und starrte ebenfalls aus dem Fenster. Zwei Gestalten standen dicht nebeneinander auf dem Parkplatz. Ein blondes Mädchen im karierten Mantel sprach mit einem Polizisten. Es waren Melissa und Wilden und es sah aus, als diskutierten sie hitzig miteinander.
Melissa wedelte mit dem Zeigefinger vor Wildens Gesicht herum. Wilden erwiderte etwas und hob die Hände, als glaube er ihr nicht. Dann winkte Melissa frustriert ab und Wilden drehte sich um und ging. Sie rief ihm etwas nach, aber er wandte sich nicht mehr um.
»Holla«, sagte Carolyn leise. »Was war das denn?«
»Keine Ahnung«, murmelte Emily.
Die Tür der Imbissstube öffnete sich und zwei Typen in Sportanoraks der Tauchmannschaft der Tate Prep marschierten in den Raum. Carolyn wendete sich wieder Emily zu und trank einen Schluck Kaffee. »Gehst du eigentlich mit Isaac zum Valentinsball? Ich habe ihn schon länger nicht mehr gesehen.«
Isaac. Einen Moment lang konnte sich Emily gar nicht mehr an das Gesicht ihres Exfreundes erinnern. Vor Kurzem hatte sie noch geglaubt, Isaac Colbert sei ihre große Liebe – sie hatte sogar mit ihm geschlafen. Aber dann hatte er Emily nicht geglaubt, als sie ihm sagte, dass seine Mutter sie gequält hatte. Und Emily hatte sich von ihm getrennt. Es kam ihr vor, als sei inzwischen ein Jahrtausend vergangen. »Äh … das bezweifle ich.«
»Was ist passiert?«
Emily tat so, als sei sie von dem Tischset vor sich fasziniert, einer laminierten, kitschigen Landkarte der USA. Ihre
Eltern und ihre Schwester glaubten immer noch, sie sei vor ein paar Wochen mit Isaac auf einer Jugendfreizeit in Boston gewesen. In Wirklichkeit hatte sie undercover bei den Amischen gelebt und Informationen über Wildens Vergangenheit gesammelt.
Nachdem Emily ein paar Sekunden geschwiegen hatte, verlagerte Carolyn ihr Gewicht und lächelte sie an. »Du bist nicht mehr mit Isaac zusammen, stimmt’s?«
»Richtig«, gestand Emily und wählte ihre nächsten Worte sehr sorgfältig. »Ich habe mich neu verliebt.«
Carolyn riss die Augen auf. Es würde ihr nicht schwerfallen zu erraten, in wen: Mona-als-A. hatte der ganzen Schule verraten, dass Emily jahrelang in Ali verliebt gewesen war.
»Ist Courtney … auch so gestrickt?«, flüsterte sie.
»Ich weiß es nicht.« Emily drückte ihren Daumen auf die Zinken ihrer Gabel. Ich habe mir schon lange gewünscht, ich dürfte das noch einmal tun, hatte Ali gesagt.
War Ali so gestrickt? Warum hätte sie das wohl sonst gesagt?
Die Kellnerin stellte ihre Teller vor ihnen ab. Emily starrte auf ihre mit Sirup und zerlassener Butter beträufelte Waffel. Sie war plötzlich viel zu nervös, um zu essen.
Carolyn legte ihre Handflächen auf den Tisch. »Du solltest sie fragen, ob sie mit dir auf den Ball gehen will«, verkündete sie.
»Das geht nicht!«, rief Emily. Es überraschte sie, dass ihre Schwester so offen mit der Sache umging.
»Wieso nicht? Was hast du schon zu verlieren?« Carolyn schob sich eine Gabel mit Omelett in den Mund. »Ihr
könntet mit mir und Topher hinfahren. Wir haben uns eine Limousine gemietet.« Topher war Carolyns langjähriger Freund.
Emily öffnete den Mund und klappte ihn dann wieder zu.
Carolyn verstand das nicht. Das war keine jugendliche Verliebtheit wie bei Maya oder Isaac. Sie hatte jahrelang davon geträumt, mit Ali zusammen zu sein, mit ihr nach Stanford zu gehen und vielleicht – wenn sie Glück hatte – mit ihr ein kleines Häuschen zu mieten, vor dem sich ein niedlicher Wetterhahn drehte. Der Gedanke, dass sie zu schnell vorpreschen und damit ihre Chance auf eine Beziehung mit Ali ruinieren könnte, lähmte Emily. Eine Zurückweisung würde Emily den Boden unter den Füßen wegziehen. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Wenn sie ihre Gefühle für sich behielt, riskierte sie immerhin auch kein gebrochenes Herz.
Emilys Handy piepste wieder und sie klappte
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