Pretty Little Liars - Vogelfrei: Band 8
wieder so gute Freundinnen werden wie damals in der sechsten Klasse. Weißt du noch, wie toll das war?«
Arias Mund fühlte sich taub an. Stand da wirklich Ali vor ihr? Unmöglich war es nicht. Sie hatte von Anfang an ein komisches Gefühl gehabt, weil Courtney viel mehr über Aria und Rosewood wusste, als jemand wissen konnte, der fast noch nie vorher hier gewesen war.
Ali stand mit weit aufgerissenen, flehenden Augen vor ihr. »Denk einfach darüber nach, okay? Versuch, das Ganze von meinem Standpunkt aus zu sehen.«
Aria spürte Sehnsucht nach der Zeit in sich aufsteigen, in der ihre Freundschaft begonnen hatte. Eine Zeit lang war es wirklich toll gewesen: Sie waren oft in die Poconos gefahren, hatten ganze Nachmittage zu Hause verbracht und lustige Filme mit Arias Videokamera gedreht. Zum ersten Mal hatte sich Aria nicht mehr als verrückte Außenseiterin gefühlt, sondern als Teil einer Gruppe.
Plötzlich drehte sich Ali auf dem Absatz um und ging. Aria hörte ihre Schritte noch eine Weile auf dem gefrorenen Boden knirschen, dann verebbten sie in der Ferne.
Aria starrte noch einen Moment in den dunklen Wald, dann machte auch sie sich auf den Weg zurück zu ihrem Haus. Ich will, dass wir wieder Freundinnen werden. Denk einfach darüber nach, okay? Ein Teil von ihr hätte Ali am liebsten sofort umarmt und gesagt, es sei alles vergeben und vergessen. Klar wollte Aria ihre frühere beste Freundin zurück. Aber etwas hielt sie zurück. Glaubte sie wirklich, dass Ali ihr Verhalten bereute und sich geändert hatte? Sie war erst seit ein paar Tagen hier und doch hatte sie schon wieder gelogen und anderen etwas vorgemacht. Sie hatte so getan, als sei sie noch nie an der Rosewood Day oder bei Noel gewesen. Und sie hatte ziemlich überzeugend geschauspielert, als sie Aria heulend von der Affäre ihres Vaters berichtet hatte. Hatte sie das nur getan, um Aria dazu zu bringen, sich ihr wieder zu öffnen und ihr von ihren eigenen Familienproblemen zu erzählen?
Aria atmete aus. Es roch irgendwie nach Rost und abgestandenem Teichwasser. Dann sah sie etwas Weißes zu ihren Füßen liegen und blieb stehen. Irgendetwas lag in dem Dreck am Fuße des Hügels.
Nach kurzem Zögern kauerte sich Aria auf den Boden und zog daran. Erdk lumpen und tote Blätter fielen von dem Ding ab, als sie es unter den Blättern hervorzog. Es war ein zerknitterter weißer Briefumschlag. Hatten die Arbeiter ihn zutage gefördert, als sie die verkohlten Baumstümpfe ausgruben?
Sie riss den Umschlag auf und griff hinein. Ihre Finger berührten etwas Quadratisches mit spitzen Ecken. Sie holte tief Luft und zog zwei unscharfe Polaroidbilder heraus. Stirnrunzelnd hielt Aria sie sich vors Gesicht, ihre Hände waren vor Kälte fast blau gefroren. Das erste Foto zeigte vier Mädchen mit gesenktem Kopf, die bei Kerzenschein auf einem runden Teppich saßen. Ein fünftes Mädchen mit blonden Haaren und herzförmigem Gesicht stand mit erhobenen Armen und geschlossenen Augen neben ihnen.
Arias Atem beschleunigte sich. Das war doch eines der Polaroidfotos, die Billy bei ihrer Pyjamaparty gemacht hatte, oder?
Sie musterte das zweite Foto. Der Blitz hatte aus der oberen linken Ecke einen gelben Fleck gemacht. Aria wurde es schwindlig und ihre Zähne begannen zu klappern. Aus irgendeinem Grund, vielleicht wegen des Kamerawinkels oder des reflektierten Blitzlichts, zeigte das Bild nicht das Innere der Scheune … sondern die Außenseite. Sie sah ein geisterhaftes Spiegelbild auf der Fensterscheibe, zwei Hände und ein verschattetes, gespenstisches Gesicht. Die Person hatte zwar blonde Haare wie Billy, aber die Gesichtszüge waren weicher und weiblicher. Das Bild war verschwommen, aber die Nase der Gestalt war schmal und gerade, die Augen waren groß und von dunklen Wimpern umrandet.
Aria konnte kaum atmen. Sie starrte auf das Foto, bis ihr die Augen brannten. Sie hätte zwar gerne geglaubt, dass die Gestalt im Fenster wie Billy aussah, aber sie wusste, dass das nicht stimmte. Und das bedeutete, dass jemand anderes sie beobachtet hatte.
Kapitel 16
WENN NICHT JETZT, WANN DANN?
Am folgenden Morgen betraten Emily und ihre Schwester Carolyn die Imbissstube hinter der Schwimmhalle. Ihr anstrengendes Schwimmtraining war heute kürzer gewesen als sonst, also hatten sie ausnahmsweise einmal Zeit für ein richtiges Frühstück vor der Schule. Die Besitzer ließen das ganze Jahr lang ihre Weihnachtsbeleuchtung brennen, was den Essbereich gemütlich und festlich wirken
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