Pretty Little Liars - Vogelfrei: Band 8
eine Kettensäge, gefolgt vom Krachen eines zu Boden stürzenden Astes. Ein paar Enten im nahen Teich quakten.
Ali nahm die Fernbedienung und machte den Ton aus.
»Das ist doch verrückt«, sagte sie leise. »Billy hat meine Schwester ermordet, das weiß ich einfach.«
»Ja«, sagte Hanna und drehte ihre Haare zu einem Knoten. »Aber das ist auf keinen Fall Billys Gesicht.«
Ali kniff die Augen zusammen. »Schon mal was von Photoshop gehört?«
»Ein Polaroidbild kann man nicht mit Photoshop bearbeiten«, sagte Spencer leise.
Alle tauschten nervöse Blicke. Dann holte Spencer tief Luft, die glühenden blauen Augen auf dem Foto vor den Augen. Seit sie das Bild gesehen hatte, hatte sich eine neue Theorie wie ein Geschwür in ihrem Verstand ausgebreitet.
»Und wenn Billy die Fotos gar nicht geschossen hat?«
»Wer dann?«, fragte Hanna und fuhr sich fröstelnd über die Arme.
Spencer kaute am Nagel ihres kleinen Fingers herum. »Ich glaube … Melissa.«
Hanna ließ den Schminkpinsel fallen, den sie in der Hand hielt. Eine rosa Puderwolke stieg vom Boden auf. Ali legte den Kopf schief, eine hellblonde Strähne fiel ihr ins Gesicht. Emily hatte den Mund zu einem kleinen O geöffnet. Alle schwiegen.
»S-sie hat dich gehasst, Ali«, stammelte Spencer. »Melissa wusste, dass du eine Affäre mit Ian hattest, und sie war auf Rache aus.«
Ali riss die Augen auf. »Was willst du damit sagen?«
»Dass es durchaus möglich ist, dass Melissa uns an jenem Abend fotografiert hat – und dass sie Courtneys Mörderin
ist. Vor ein paar Wochen, kurz vor dem Feuer, habe ich sie im Wald nach etwas suchen sehen, wahrscheinlich nach den letzten Fotos. Vielleicht hatte sie Angst, die Polizei könne sie bei der Suche nach Ians Leiche finden. Und als ihre Suche vergeblich blieb, hat sie den Wald abgebrannt, um sicherzustellen, dass sie auch wirklich verschwunden sind. Aber sie sind nicht verbrannt.«
Ali starrte Spencer mit untertassengroßen Augen an.
»Es würde passen«, krächzte Emily. »Besser als Ian … oder Jason und Wilden … und auf jeden Fall besser als Billy.«
Hanna nickte und griff nach Emilys Hand.
»Glaubst du, Melissa hat auch Ian getötet?«, fragte Ali mit aschfahlem Gesicht. »Und … Jenna?«
»Ich weiß es nicht.« Spencer dachte an den Abend, an dem Ian gegen seinen Hausarrest verstoßen und sie auf ihrer Veranda getroffen hatte. Was wäre, wenn ich dir erzähle, dass es da etwas gibt, das du nicht weißt? Etwas Großes. Etwas, das dein Leben auf den Kopf stellen wird. Ian hatte gesagt, dass er an jenem Abend zwei blonde Gestalten im Wald gesehen hatte. In Spencers Erinnerungsfragmenten aus der Nacht tauchten ebenfalls zwei blonde Personen auf. Nach Billys Verhaftung hatte sie angenommen, sie hätte ihn gesehen. Aber vielleicht war es auch Melissa gewesen.
»Möglicherweise hatten Ian und Jenna die Wahrheit herausgefunden«, flüsterte Spencer und drückte sich ein Kissen an die Brust.
Hanna räusperte sich. »Ich habe Melissa in letzter Zeit ziemlich oft herumschleichen sehen. Ich glaube, gestern war sie im Einkaufszentrum.«
Ali starrte Hanna an. »Die Gestalt beim Brunnen?«
Hanna nickte.
Spencers Herz schlug schneller und schneller. »Weißt du noch, wie böse sie dich bei der Pressekonferenz angestarrt hat, Ali? Vielleicht weiß Melissa ja, dass du nicht Courtney bist. Möglicherweise ist ihr klar geworden, dass sie vor vier Jahren die falsche Schwester ermordet hat.«
Ali biss sich auf die Lippe. Sie drehte einen schwarzen Eyeliner zwischen den Fingern. »Ich weiß nicht. Das klingt alles total abgedreht. Wir reden hier von deiner Schwester. Ist sie echt so durchgeknallt?«
»Ich weiß es nicht mehr«, gestand Spencer.
»Vielleicht sollten wir sie einfach fragen. Sicher gibt es eine logische Erklärung für ihr Verhalten.« Ali stand auf.
»Nein, Ali.« Spencer versuchte, Ali am Arm festzuhalten. War Ali verrückt geworden? Falls Melissa die Mörderin war, würde sie sicher sofort versuchen, ihnen ebenfalls etwas anzutun.
Ali war bereits bei der Tür. »Wir sind in der Überzahl«, sagte sie entschlossen. »Kommt schon. Lasst uns diesem Wahnsinn ein für alle Mal ein Ende bereiten.«
Sie marschierte auf den Flur, bog nach links ab und klopfte an Melissas Tür. Keine Antwort. Als sie mit der Hand dagegendrückte, schwang die Tür knarrend auf.
Das Zimmer war extrem unordentlich – der Boden lag voller Klamotten und das Bett war nicht gemacht. Spencer hob Melissas Schminkköfferchen
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