Pretty Little Liars - Vollkommen
Situation so sehr, dass ich ihr … eine runterhauen will. Ich mache das natürlich nicht, aber …«
»Es würde sich unheimlich gut anfühlen, stimmt’s?«
Spencer nickte und starrte auf Dr. Evans verchromte Schreibtischlampe. Einmal, nachdem Melissa zu Spencer gesagt hatte, dass sie wirklich keine besonders gute Schauspielerin sei, war Spencer kurz davor gewesen, ihr eine zu langen. Stattdessen hatte sie einen der guten Weihnachtsteller ihrer Mutter mit aller Kraft an die Wand des Ess zimmers gefeuert. Er war in tausend Stücke zerbrochen und hatte einen schmetterlingsförmigen Riss in der Wand hinterlassen.
Dr. Evans blätterte eine Seite in ihrem Notizbuch um. »Wie gehen deine Eltern mit der … Feindseligkeit zwischen euch Schwestern um?«
Spencer hob eine Schulter. »Meistens gar nicht. Meine Mutter würde wahrscheinlich Stein und Bein schwören, dass wir uns bestens verstehen.«
Dr. Evans lehnte sich zurück und dachte lange nach. Sie tippte den Spielzeugvogel auf ihrem Schreibtisch an, und der Vogel begann, seinen Schnabel in eine Tasse zu tauchen, auf der ICH LIEBE ROSEWOOD stand. »Dies ist nur eine Hypothese, aber vielleicht hat Melissa Angst davor, dass deine Eltern dich mehr lieben als sie, wenn sie deine Leistungen anerkennen.«
Spencer legte den Kopf schief. »Wirklich?«
»Vielleicht. Du glaubst schließlich, dass deine Eltern dich gar nicht lieben, sondern nur Melissa. Du weißt nicht, wie du mit ihr konkurrieren sollst, also spannst du ihr den Freund aus. Aber womöglich geht es dir gar nicht um Melissas Freund. Vielleicht willst du eigentlich nur Melissa verletzen. Klingt das schlüssig für dich?«
Spencer nickte nachdenklich. »Möglicherweise.«
»Ihr beide leidet sehr unter der Situation«, sagte Dr. Evans leise, und ihre Miene wurde weicher. »Ich weiß nicht, was dieses Verhalten ausgelöst hat – der Auslöser kann so weit in der Vergangenheit liegen, dass ihr euch gar nicht mehr daran erinnert -, aber ihr seid in einem Muster gefangen und könnt nur auf diese Weise mitei nander umgehen. Ihr werdet weiter gefangen bleiben, wenn ihr die Ursache nicht erkennt und lernt, euch gegenseitig
zu respektieren. Dieses Muster kann sich durchaus auch in anderen Beziehungen wiederholen. Vielleicht suchst du dir Freundinnen und Freunde, die dich so behandeln, wie Melissa es tut, weil dir die Dynamik vertraut ist und du deine Rolle in dem Spiel kennst.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte Spencer und umschlang ihre Knie. Das klang ihr alles ein bisschen zu abgedreht.
»Stehen deine Freundinnen immer im Mittelpunkt? Haben sie alles, was du willst, schubsen dich herum und geben dir das Gefühl, nicht gut genug zu sein?«
Spencers Mund wurde staubtrocken. Sie hatte definitiv eine solche Freundin gehabt: Ali.
Sie schloss die Augen und sah wieder die merkwürdige Szene, die sie seit drei Tagen plagte. Es ging um einen Streit, da war sich Spencer sicher. Aber für gewöhnlich erinnerte sich Spencer an die Streitereien mit Ali weit besser als an die guten Zeiten, die sie gemeinsam erlebt hatten. War dies also nur ein Traum?
»Woran denkst du?«, fragte Dr. Evans.
Spencer holte tief Luft. »An Alison.«
»Ah.« Dr. Evans nickte. »War Alison wie Melissa?«
»Weiß nicht. Könnte sein.«
Dr. Evans zog ein Taschentuch aus der Spenderbox und putzte sich die Nase. »Ich habe das Video von euch Mädchen im Fernsehen gesehen. Es sah so aus, als wärt ihr beiden wütend aufeinander gewesen. Hattet ihr einen Streit?«
Spencer atmete aus. »Schon.«
»Weißt du noch, worum es ging?«
Spencer dachte einen Moment lang nach und ließ ihren Blick durch das Büro wandern. Auf Dr. Evans Schreibtisch stand eine Plakette, die ihr letztes Mal nicht aufgefallen war. Sie trug den Schriftzug: Nur der ist weise, der weiß, dass er es nicht ist. Sokrates . »In den Wochen vor ihrem Verschwinden verhielt Ali sich … irgendwie merkwürdig. Anders. Als könne sie uns nicht mehr leiden. Wir wollten es uns zwar nicht eingestehen, aber ich glaube, sie hatte vor, uns im Laufe des Sommers fallen zu lassen.«
»Hat euch das wütend gemacht?«
»Klar. Natürlich.« Spencer legte eine Pause ein. »Mit Ali befreundet zu sein, war toll, aber wir mussten auch eine Menge Opfer bringen. Wir haben viel miteinander erlebt und manches war nicht besonders gut. Wir dachten wahrscheinlich: He, wir haben all das für dich getan und du lässt uns einfach fallen?«
»Du dachtest also, sie schuldet dir was.«
»Kann sein«,
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