Price, Richard
ruhigen Gang, an dem trägen, offenmäuligen Wackeln
seines Kopfs erkannte Rocco, dass der Bursche wahrscheinlich gern hier
schuftete, dreizehn Etagen, um seinen Wagen zu schieben, netter Blick auf die
Lady im Hafen, man begegnet Freunden, immer mal was zum Mitnehmen, ein paar
Drähte, die man aus einer eingefallenen Decke reißen konnte, ein Heizkörper,
den alle anderen übersehen hatten, ein Duschkopf. Es war wie ein Garten oder
wie ein Traum, die zerschlagenen Toiletten und ausgeweideten Decken, die
Außenwelt, die zu Almightys Innenwelt passte - zerschlagen, krank, ruhig,
friedlich.
Rocco
vertrieb die Gedanken aus dem Kopf und rief, »Ho!«, nur um mal das Echo zu
hören. Auf dem Weg zur Treppe hielt er vor einem sechs Meter breiten, rechteckigen
Fenster, das den Blick in einen leeren, lichtlosen Raum freigab. In einer Ecke
war ein gläserner Raum abgetrennt, und an der Hinterwand hing immer noch ein
Schild, auf dem rot auf gelb stand: >Bitte nicht an die Scheibe klopfen.<
»Was zum
Teufel war das?« Rocco linste durch die verdreckte Scheibe.
»Das
Babyzimmer«, sagte Dolan. »Du weißt schon, das Beobachtungszimmer, wo die
Jungs sich selbst zu Eseln machen, wenn sie ihren Söhnen winken.«
»Nein ...«
Rocco besah sich die staubige Leere durch das breite Fenster. Er konnte sich
nicht vorstellen, dass der Raum jemals anders ausgesehen hatte als jetzt, und
das ließ ihn an die ungeliebten, nicht abgeholten Säuglinge denken. »Eine
Schande«, sagte er und schnalzte mit der Zunge.
»Was?«
Harris half Almighty, den Wagen über ein Schlagloch zu bugsieren.
Dolan und
Harris standen auf dem Balkon und halfen Almighty, seine Beute in den
Eingangsbereich hinunterzuwerfen. Mit den Ellbogen auf der Brüstung sahen sie
dem Fallen und Gleiten der stürzenden Gegenstände zu. Rocco konnte das Bild
des geisterhaften Beobachtungszimmers nicht abschütteln. Er begann sich
vorzustellen, dass das gesamte Atrium eine Art himmlischer Rauchfang war und
die Geister lang verschollener Säuglinge durch die Luft schwebten.
»Wisst ihr
was?« Rocco blinzelte in die leere Dämmerung. »Wenn du eine Schwangere
erschießt, und das Baby wird geboren, bevor sie stirbt? Wenn das Baby tot auf
die Welt kommt, selbst wenn es durch die Kugel getötet wurde, ist es trotzdem
nur einfacher Mord. Damit ein Mord draus werden soll, müssen sich die Lungen
des Babys ganz mit Luft gefüllt haben, bevor es getötet wurde ... Stinkt das
zum Himmel oder was?«
Almighty
schien der Einzige zu sein, der zuhörte, und warf ihm einen argwöhnischen Blick
zu.
Dolan trat
neben ihn. »Alles oder nichts, dass ich in einen Einkaufswagen treff.« Er ließ
einen Wasserhahn fallen, der auf den Griff eines Wagens fiel und wie eine
Rakete durch den Eingangsbereich schoss.
»Leck mich
doch am Arsch!«, brüllte jemand von unten. »Trag's runter, du Arschloch! Trag's
runter! Herrgott nochmal!«
Sie warfen
Almightys Schrott in den Kofferraum des Nova. Dolan fuhr hinten mit Almighty,
so war es zwei gegen einen, und Harris folgte im Streifenwagen.
»Also,
Gary, lebst du immer noch mit Suky zusammen?« Rocco suchte im Rückspiegel nach
Almightys Augen.
»Ja, ahm, ... so
ähnlich.« Almighty kauerte sich zusammen, legte eine Hand vor den Mund und sah
zu, wie die Welt vorbeirauschte.
»Bist du
jemals deinem Schwiegervater begegnet?«
»Dem
Bullen? Mmh-mmh.«
»Darauf
hätt ich wetten können«, nickte Rocco. »Und was treibst du so die ganze Zeit,
arbeitest du?«
»Ja, ich
helf bei den Lastwagen aus. Aber ich bin krankgeschrieben.«
»Wie viel
ist der Scheiß im Kofferraum wert? Zahlt Kelso immer noch gute Preise?«
»Ist
okay.«
Sie fuhren
am Polizeirevier vorbei. Almighty war es wahrscheinlich gewohnt, dort
hingebracht zu werden, und er setzte sich aufrecht hin und runzelte die Stirn.
»Wohin
fahren wir?«
»In mein
Büro«, sagte Rocco sanft. »Was ist das für eins?«
»Morddezernat.«
Rocco beobachtete seine Augen im Rückspiegel, testete seine Reaktion.
»Mord?«
Almighty sank wieder zusammen, war kaum noch interessiert. »Hmm, glauben Sie,
ich hab jemanden umgelegt?«, fragte er und klang beinahe amüsiert.
»Ich weiß
nicht.« Rocco lachte. »Hast du?«
»Gibt
welche, die würden so was machen«, sagte Almighty gedehnt. »Das kann ich Ihnen
flüstern.«
Rocco
zuckte mit den Schultern und schwieg für den Rest der Fahrt. Almighty blieb
unbeteiligt, verträumt, und erst als er sich an den Tisch im Vernehmungszimmer
setzte, wurde er für einen
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