Price, Richard
kannte,
würden seinen Körper in Boxershorts und Schlafmaske vorfinden. Eine
beschämendere Szene hatte er sich nicht vorstellen können, und als er sich zwei
Wochen später gewaltsam Zutritt in ein Haus verschaffte und damit auf eine
Meldung reagierte, dass eine Frau möglicherweise ihr Kind ermorde, war er Patty
begegnet und hatte zum ersten Mal in seinem Leben entschieden, dass es an der
Zeit sei, sich zu verlieben.
»Es ist
drei Uhr, Patty.« Rocco warf einen Blick auf die .38er, die jetzt hinter einer
Schachtel Binden auf der Ablage ihres offenen Schuhschranks lag.
»Ich
weiß«, murmelte sie, ohne ihre Augen von ihrem Lesestoff zu nehmen, irgendwas
über Mythen und Ursprünge.
Zu Anfang
- jetzt nicht mehr, Gott sei Dank - hatte Patty die wichtigsten Bücher in
ihrem Leben stets mit ihm geteilt, Bücher wie >Black Elks Vermächtnis<,
>Der goldene Zweig< und >Der Heros in tausend Gestalten<. Die
Bücher waren ihm immer sehr hippiehaft vorgekommen, obwohl Hippie ein Wort aus
seinem, nicht aus ihrem Leben war, da sie zu Woodstock-Zeiten noch in Erins
Alter gewesen war.
»Es ist
eigentlich sogar fünf nach drei.«
»Was -
willst du mir jede Minute die Zeit ansagen?«
»He, in
Ordnung, ich sag doch nur, wie auch immer, aber ...«Er nickte zur Tür Richtung
Erin.
»Ich werde
mit ihr aufstehen. Mach dir keine Sorgen, okay? Das mach ich schon die ganze
Zeit.«
»Also kein
Problem.« Rocco schmollte und dachte über die Ehe nach und dass sie eine Insel
der Behaglichkeit sein sollte. Das gefiel ihm, eine Insel der Behaglichkeit.
Rocco fragte sich, wie seine Ehe in sechs Monaten sein würde, wenn er in
Pension gehen würde. Er hatte keine Vorstellung davon, was die Zukunft für ihn
bereithielt, außer dass er mit halbem Lohn aufhörte, etwa zwanzigtausend Dollar
im Jahr. Aber Patty hatte ein Treuhandvermögen, das seine vollen Bezüge zu
einer lächerlichen Summe reduzierte, also ... Vielleicht konnte er einfach von
ihrem Geld leben und ein geschniegelter, betrunkener Privatdetektiv sein wie
der Dünne Mann. Der Dicke Mann.
»Ich hol
mir noch was, willst du einen Tee oder so?«
»Nein,
danke.« Patty warf ihm einen schnellen Blick zu, als wüsste sie, an welchen
Snack er dachte, ihn aber nicht zu dieser Stunde deswegen anpflaumen wollte.
Ihr Schweigen machte das Ganze auch nicht besser.
Rocco
stand auf, leistete einen weiteren Eid und stand dann wieder neben Erin. Wenn
er mit sechzig sterben würde, dann wäre Patty erst knackige vierzig und das
Baby ein Teenager. Er musste mit dem Trinken aufhören, sich wieder in
Kampfform bringen.
Erin
blickte auf, sah ihn aber nicht an. Sie machte mit ihrer Zunge ein schnalzendes
Geräusch am Gaumen, immer und immer wieder.
Rocco
griff in die Wiege, hob sie hoch und hielt sie an seine Brust. Sie war
hellwach, ruhig, aber weit weg. Hier bin ich, dachte Rocco, ich halte sie
mitten in der Nacht auf dem Arm, ein guter Vater.
Er trug
Erin zu einem der großen Küchenfenster, sah hinaus und zählte seine Eisen im
Feuer. Beteiligung an Mazillis Schnapsladen, Lügendetektortests für
Einstellungen und Sicherheitsüberprüfungen, Privatdetektiv. Heute Nacht jedoch
schienen all diese Aussichten nur Scheißdreck zu sein, die üblichen Klischees.
In solchen ausgepumpten und schlaffen Augenblicken, jetzt, wo sich sein
Straßenjob und seine Nächte am Schreibtisch in der Mordkommission dem Ende näherten,
kam sich Rocco häufig so vor, als stünde er mit seinem Gepäck auf einem
Flughafen mit einem Blankoticket in der Hand.
Rocco
stand Wange an Wange mit seinem Baby da und blickte auf die Straße hinab.
»Sag
>gute Nacht, Taxis<.«
»Gute
Nacht, Taxis.« Ihre Stimme klang pflichtbewusst.
»Gute
Nacht, Brücken.«
»Gute
Nacht, Brücken.«
»Gute
Nacht, Junkies.«
»Gute
Nacht, Junkies.«
»Gute
Nacht, Werwölfe.«
»Gute
Nacht, Werwölfe«, intonierte Erin und ahmte seine Stimme Takt für Takt nach.
Dann deutete sie auf etwas und sagte in einem unheimlich präzisen Singsang: »Da
ist der Mo-hond.«
»Ja, Baby
... da ist der Mond.«
Rocco
stellte sich vor, wie er von seinem Totenbett zurückschauen und sich an diesen
Moment erinnern würde, wie er sie auf dem Arm hielt und mitten in der Nacht den
Mond benannte, ruhig, zärtlich und stark: ein guter Vater.
***
»Hast du
gewusst, dass mehr junge Männer donnerstags abends ermordet werden als
irgendwann sonst in der Woche?« Rodney fuhr, während ihm ein Vanille-Keks aus
dem Mund schaute. »Dieser Cop hat mir das
Weitere Kostenlose Bücher