Price, Richard
aussah wie ein Komiker, der einen Betrunkenen mimt.
»Der
Bursche verlässt das Kino und sagt: >Yo, Big Chief, passen Sie gut auf sie
auf, wir sehen uns Montag, okay?<«
»Wie
nett«, sagte Rocco leise. Er las die Zeit von der Wanduhr ab und erlebte einen
verwirrten Anflug von Nervosität: Geh nach Hause.
Er kam
gegen zwei Uhr heim, verkrampft und betrunken, glaubte, den Geruch eines
Tatorts an sich zu haben, diesen süßen, kräftigen, schweren Geruch eines
Mordes, wie verwässertes Old Spiee oder eine schwitzende fette Dame - nicht
ganz unangenehm, irgendwo intim, der Geruch eines ganzen Lebens, das sich ihm
mit all seinen Verschämtheiten und kleinen Schubladen öffnete. Natürlich
musste es sich um einen relativ frischen Mord handeln: Letzten Sommer hatte er
einen Fall, der über ein drei Tage langes, schwülwarmes Juliwochenende bei
geschlossenen Fenstern dagelegen hatte, und auf halbem Weg durch den Flur
musste Rocco stehen bleiben und sich bis auf sein T-Shirt und die Boxershorts
ausziehen, um nicht nach dem Verlassen der Wohnung seinen Anzug verbrennen zu
müssen; der Körper war derart aufgebläht, dass er nicht sagen konnte, ob es ein
männlicher oder weiblicher Körper, ob er weiß oder schwarz war. Damals war er
völlig fertig gewesen, aber er hatte einen netten gestreiften
Zweihundert-Dollar-Seersucker-Anzug gerettet.
Patty war
noch auf. Rocco konnte das Gemurmel einer Fernsehunterhaltung hören, und ein
Lichtstrahl fiel durch den Spalt der Schlafzimmertür auf den Teppich im Flur.
Sein Magen machte einen Hüpfer vor Bestürzung: Geh endlich schlafen,
Himmelherrgott. Er ging auf Zehenspitzen in die riesige Wohnküche, stand an den
Fenstern hoch über Manhattan, sah nach Westen und Süden über den Fluss und auf
seinen Job. Das Loft war ein Hochzeitsgeschenk seiner Schwiegereltern gewesen,
ihr früherer New Yorker Unterschlupf; offensichtlich war eine Wohnung mit
Garten in Dempsy in ihren Augen eine Art Strafe. Rocco ging an den
Kühlschrank, um sich ein Eis zu nehmen, war sich jeder einzelnen knarrenden
Diele bewusst, wartete darauf, dass Patty die Schlafzimmertür öffnen und ihm
die Hölle heiß machen würde, obwohl er sich, rein technisch gesehen, nicht
vorstellen konnte, weshalb.
Er starrte
in den Kühlschrank, hörte Erin in ihrem Kinderbett hinter der Schiebetrennwand
aus Reispapier wispern. Er atmete aus und schloss den Kühlschrank: Was zum
Teufel sollte das sein, eine Hausparty die ganze Nacht durch?
In
Gedanken war er wieder bei dem ersten Film mit seiner Tochter, aber dann
dachte er plötzlich darüber nach, wie er eine Woche später allein in dasselbe
Kino gegangen war, um sich >Predator< anzusehen, dort mit seinem Popcorn
saß, einen Blick auf die Teppichlichter warf und spürte, wie ihm sein
Verlangen durchs Herz fuhr und ihn tödlich verwundet mit den sehnsüchtigen
Erinnerungen an ihr gemeinsames, nervöses und gelangweiltes erstes Mal, sieben
Tage zuvor.
Vater und
Kind: Die Vorstellung hatte in Roccos Verstand nie ein gemütliches Zuhause
gefunden. Bei der Hochzeit hatte sein Schwiegervater, nur vier Jahre älter als
er selbst, einen Arm um seinen neuen Schwiegersohn gelegt, auf seine schwangere
Tochter gedeutet und gesagt: »Rocco? Solange du nicht der Vater bist, bist du
nichts anderes als der Sohn ...«
Damals
hatte das vernünftig geklungen, beinahe bemerkenswert, doch als er später
darüber nachdachte, war Rocco aufgegangen, dass es ihm zwar schwerfiel, sich
selbst als Vater zu sehen, er sich selbst aber niemals als irgendjemandes Sohn
betrachtet hatte. Seine Eltern hatten sich scheiden lassen, als er acht Jahre
alt war, und keiner von beiden wollte ihn nehmen. Seine Mutter brannte mit
einem Reifenhändler durch, und sein Vater zog wieder bei seinen eigenen Eltern
ein. Ein ganzes Jahr lang war Rocco von den verschiedensten Verwandten
herumgereicht worden, bis seine Großeltern mütterlicherseits ihn dann für
immer zu sich nahmen, und selbst jetzt, als Polizist mittleren Alters, kam er
sich weniger als Autoritätsfigur und mehr als eine Art stinksaures Waisenkind
mit Knarre vor.
Er schob
die Trennwand beiseite und sah Erin in einer Ecke ihres Kinderbettes sitzen;
sie hielt ein Zebra auf dem Schoß, tätschelte sanft dessen Kopf und murmelte:
»Oh, du machst mich so glücklich.«
Rocco sah
zu ihr herab, ihre Hände bewegten sich stetig und zärtlich, ihre Stimme war sinnlich
in ihrer rhythmischen Sicherheit. Auf gelassene Weise wach, mit sich selbst
beschäftigt, sah
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