Price, Richard
aber jetzt war es
Montagnachmittag, und die drei Unzen waren immer noch da. Strike hatte die
letzten vierundzwanzig Stunden damit verbracht, in Rodneys Laden herumzuhängen,
war dazu verdammt, Süßigkeiten und Limo zu verkaufen, und er starb jedes Mal
tausend Tode, wenn draußen eine Limousine vorbeifuhr, im festen Glauben, dass
es die Cops mit einem Haftbefehl waren. Den ganzen Sonntagabend hatte Rodney
Strike mit irgendwelchen Kriegsgeschichten aus den Siebzigern gelangweilt,
davon erzählt, wie er von Darryl im >Ahab's< beschissen worden war und
wie er sich um den geheimen Lieferanten von Darryl gekümmert hatte. Laut Rodney
war jetzt ein weißer Typ aus Bayonne auf einem Auge blind, nachdem ihm eines
Nachts ein verrückter unbekannter Nigger, der mit einem Baseballschläger aus
einem verbeulten Cadillac gesprungen war, eins über den Schädel gezogen hatte.
Kurz vor
fünf verkaufte Strike zwei der verbliebenen Unzen an einen Burschen aus der
Gegend. Er kümmerte sich inzwischen nicht mehr darum, wem welches Gebiet
gehörte - Hauptsache, der Stoff kam in Umlauf.
Noch eine
Unze. Strike trat auf die Straße und fragte einen Passanten nach der Uhrzeit;
als er hörte, dass es fünf Uhr war, signalisierte er Rodney, dass er gehen
müsse.
Rodney kam
nach draußen und lehnte sich gegen den Türpfosten. »Wo willst du hin?«
»Du weißt
schon.« Strike machte ein paar Schritte rückwärts. »Zu meinem Freund.«
Rodney
nickte. »Danach kommst du aber sofort zurück.«
Strike
lief zwanzig Minuten lang vor dem Süßwarenladen Ecke Krumm Street und Loyola
auf und ab, bevor Jo-Jo schließlich in seinem Delta 88 angerollt kam. Strike
beugte sich ins Beifahrerfenster und ließ das Geld auf den Sitz fallen.
»Wie
geht's, Strike?«, sagte Jo-Jo und warf einen Blick in den Umschlag.
»Gut.«
»Willst du
Eintrittskarten für das Rapers 4 Life Konzert in Passaic?«
»Nein.«
»Beste
Plätze, Mann.«
»Ist schon
in Ordnung.«
»Wie
wär's, ich verkauf sie dir, und du kannst sie teurer weiterverkaufen?«
Strike
bemühte sich nicht um eine Antwort.
»Na gut.
Also, bis nächste Woche, gleiche Zeit, gleicher Ort?«
Stirnrunzelnd
drückte sich Strike abrupt vom Fenster ab.
»Was ist
los, Strike?«
»Nun, hast
du mir nichts zu sagen?«
»Nein.«
Jo-Jo zuckte mit den Schultern. »Ist nichts los.«
»Ach ja?
Letztes Mal hast du gesagt, Montagnacht wäre 'ne Razzia.« Strike wurde langsam
wütend.
»He,
Junge, weißt du, an wen du mich erinnerst? An meine Mutter.« Jo-Jo beugte sich
über den Beifahrersitz. »Sie ist neunundsiebzig Jahre alt, geht zum Arzt, wie
du in den Laden an der Ecke gehst, macht jeden nur denkbaren medizinischen
Test, und hinterher kommt sie sich dann betrogen vor, weil alles mit ihr in
Ordnung ist.« Jo-Jo kam noch näher. »Ich sagte, es läuft nichts. Willst du
lieber einen Kampf auf Leben und Tod?«
Buuh ... Bu-buh-buuh.
Der Junge hatte sich angehört wie Bing Crosby, aber
vielleicht hatte er versucht, den Namen von irgendjemandem auszuspucken. Oder
vielleicht hatte er angerufen, um für sich selbst ein Geschäft rauszuschlagen,
dann aber seine Meinung geändert. Noch einen Tag später, als er in der
Mordkommission saß und zusah, wie einem vierfachen Mörder die Haare
geschnitten wurden, versuchte Rocco sich darüber klarzuwerden, was das Ganze zu
bedeuten hatte.
Der Kerl, ein Dominikaner, der gemeinsam mit einem
Landsmann vier Drogenhändler mit Mafiaverbindungen umgebracht hatte, war mit
Handschellen an einen Stuhl neben Mazillis Tisch gefesselt. Er hatte gegen
seinen Kumpan ausgesagt und wurde jetzt von einem weibischen Friseur, einem
Filipino, für den morgigen Prozess frisiert. Der Killer war zwei Meter drei
groß und dürr, sein glänzendes schwarzes Haar hing ihm glatt herunter bis auf
die Schulterblätter, und seine Augen lagen tief in den Höhlen.
Der Friseur sah zu Rocco hinüber und hielt ein Büschel
fettiger Locken in der Hand. »Die sollte man mal waschen.«
Rocco gab keine Antwort. Er sah durch den Friseur und
den Killer hindurch und war in Gedanken immer noch bei Strikes abgebrochenem
Anruf. Der Junge hatte offensichtlich doch mehr zu sagen. Vielleicht war es
gar nicht so schlecht, wenn er mal wieder bei den Bänken vorbeiging.
Mazilli betrat mit einer Tasse Kaffee das Büro, und der
Killer rasselte mit den Handschellen. »Yo, habt ihr Shampoo?«
»Nein. Und passen Sie auf, dass die Haare nicht überall
rumfliegen.« Mazilli warf Rocco einen Blick zu. »Alles in
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