Price, Richard
Gebäudes
auf und rannte beinahe Strike um, der die Stufen hinaufhumpelte. Rocco blieb
cool, lächelte und sagte: »He, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.« Er zeigte
Strike den Haftbefehl. »Ich war grad auf dem Weg zu dir.«
Strike
ignorierte das Blatt Papier, sah nicht mal Rocco an, sondern starrte nur über
die Schulter zurück zu einer kleinen Erhebung jenseits des Parkplatzes, wo
Rodney Little gegen die Hintertür seines Cadillac gelehnt stand und Strike mit
vor der Brust verschränkten Armen mit dem Blick eines Jagdhunds fixierte.
Rocco
winkte Rodney zu, ohne dass dieser auf seine Geste reagierte. Zuerst dachte
Rocco, Rodney hätte Strike hierhergefahren, aber als er das Gesicht des Jungen
sah, sagte er: »Himmel, was ist denn mit deiner Nase passiert?« Doch Strike war
von Rodneys Blick wie gelähmt und gab keine Antwort. Rocco ging auf, was Sache
war. Er zerknüllte den idiotischen Haftbefehl und sagte mit gezwungener Höflichkeit:
»Was ist denn los, Strike?« Der Junge gab immer noch keine Antwort; er drückte
sich an Rocco vorbei und humpelte hinein, bereit zu reden.
Strike saß
allein im Vernehmungszimmer. In seinem Kopf tobte eine wilde Meute mit
mordlüsternen Gesichtern und vagen Drohungen, und das bisschen Aufmerksamkeit,
das er noch besaß, konzentrierte sich auf die pochende Blüte mitten in seinem
Gesicht und auf den stechenden Schmerz in seiner rechten Kniescheibe. Er
starrte blöde auf einen Kalender an der Wand vor ihm, der seit zwei Monaten
nicht mehr abgerissen worden war, und rieb sich das Knie. Die Tür stand offen,
und er konnte hören, wie der massige Detective schwer atmend im Flur auf und ab
ging.
Strike sah
auf und entdeckte den Cop aus dem Shaft-Spirituosenladen, der ihn durch das
Fenster betrachtete, und dann tauchte auch das Gesicht des anderen Cops hinter
der Scheibe auf. Strike kam sich vor wie ein Tier im Zoo und wandte den Blick
ab. Die Unterhaltung zwischen den beiden wehte durch die geöffnete Tür herein.
»Was
gibt's?«, fragte der Shaft-Cop.
»Nichts.
Bloß ein zwangloses Gespräch unter vier Augen.«
»Was zum
Teufel ist denn mit seiner Nase passiert? Mann, das muss wehtun. Warst du das?«
Der
schwergewichtige Cop lachte. »Noch nicht.«
»Foltern
und laufenlassen«, verkündete der Shaft-Cop. »Als Männer noch Männer waren
...«
Strike
starrte seine Fingerknöchel an und hörte, wie sich die Schritte von einem der
Cops den Gang hinunter entfernten. Als er schließlich aufblickte, betrat der
schwergewichtige Detective das Zimmer.
»Brauchst
du was für deine Nase? Ein bisschen Watte? Ein kühles Tuch?« Rocco nickte in
Richtung Parkplatz. »Vielleicht können wir ihn wegen Körperverletzung
drankriegen.«
»Das war
Andre.«
»Andre,
der Cop? Hmm.« Rocco ging nicht weiter darauf ein, wollte sich jetzt erst
einmal voll auf Rodney konzentrieren und sich diesen Jungen, den er vor zwei
Tagen noch als Nigger beschimpft hatte, zum Verbündeten machen.
»Warum
verprügelt mich A-Andre einfach so?« Strike befingerte vorsichtig seine Nase.
»He, er
war vielleicht ein bisschen sauer darüber, was mit Tyrone passiert ist.«
»Mit
Tyrone? Ich hab mit ihm nichts zu schaffen, was will er von mir?«
»Nun, der
Junge hat deine Waffe benutzt.«
»Meine
Waffe, wofür?«, sagte Strike und fügte schnell hinzu: »Ich habe keine Waffe.«
»Wo bist
du gewesen, Strike? Der Junge hat Erroll Barnes erschossen.«
»Er hat
was? Wie, erschossen?«
»Tot.«
»O Mann
...« Strike atmete schwer, beugte sich dann vor und stützte den Kopf in die
Hände. »Warum hat er das gemacht? Ich weiß n-nichts darüber, absolut nichts.«
Überrascht
durch die Trauer in der Stimme des Jungen, schwieg Rocco eine Sekunde lang,
dachte an Rodney und Erroll, Rodney und Strike und daran, dass Tyrone mit
Strikes Waffe herumgelaufen war. Der Junge hatte irgendetwas davon gesagt, dass
Erroll ihn am Ellbogen gepackt und gefragt hatte: >Wo ist er, wo ist
er?<, und der zu Tode erschreckte Bursche hatte in seiner Panik automatisch
nach der geklauten .25er hinter seiner Gürtelschnalle gegriffen. »Nun, ich
hoffe, dass das Ganze keine Konsequenzen für dich haben wird, es ist nämlich
deine Waffe ...«
»Warum,
zum Teufel, macht er bloß so was? Was passiert jetzt mit ihm?«
»He, im Augenblick würde ich mir an deiner Stelle mehr
Sorgen über mich selbst machen.«
»Muss er in den Jugendknast?«
»Ja. Der arme Kerl ist dran.« Rocco schüttelte
theatralisch den Kopf. »Aber die Sache
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