Prickel
hinten.
Nicht schon wieder, dachte ich, genervt, im ersten Moment, bis mir aufging, was es war, das meinen Hals umschnürte: Kein dicker Neuhausscher Unterarm, sondern ein Draht. Ein dünner, schneidender Draht.
Wie der Funke einer Zündkerze brachte mich diese plötzliche Erkenntnis zur Explosion. Jemand versuchte, mich umzubringen! Heiko! Heiko versuchte, mich mit einem Draht um den Hals von hinten zu erdrosseln! Wegen seines albernen Autos! Das war so heimtückisch, so gegen alle Regeln, so ungerecht, daß in mir kein Raum blieb für Bestürzung oder gar Angst.
Mein Hirn detonierte in ein reines Weiß, das alles Denken überstrahlte, verwandelte sich im Zeitraum eines Fingerschnippens von der gewohnt unentschlossenen, wiederkäuenden Diskussionsrunde in eine einzige, vor Empörung kreischende Furie.
Mit aller Gewalt strampelte ich rückwärts, bis es wieder einmal hieß knirsch und ab in die Brombeeren, und während ich meinen Angreifer erst stolpern und dann mit mir zusammen umsinken spürte, hinein in den wehrhaften Strauch, wühlte meine Rechte derweil hinter meinem Rücken herum, bis sie in dem unter ihren suchenden Fingern unablässigen Drehen und Winden die eine, die richtige Stelle fand und dann zupackte, daß es eine Kristallkugel zu Sand gepreßt hätte. Ein schriller Schrei gellte in meinem Ohr, plötzlich stand ich wieder, frei, die Linke mit dem Schlüsselbund zwar immer noch von dem verdammten Draht fest an Hals und Backe geschnürt, doch in der Rechten zuckte mein Totschläger und ich ließ die Spitze durch die Luft pfeifen wie einen rächenden Meteoriten, schlug zu wie noch nie in meinem Leben, schlug mit allem, was ich hatte auf die für Heiko zu schlanke Gestalt in den Brombeeren ein und . schlug daneben. Wer immer es war, er hatte sich in dem stachligen Gebüsch ruckartig zur Seite gewälzt, etwas, das man mal versucht haben muß, um zu wissen, daß es eigentlich unmöglich ist, sprang jetzt mit einem einzigen Reißen daraus hervor, duckte sich unter einem weiteren Hieb von mir hindurch, hechtete auf den Müllcontainer, ließ mit einem kleinen Hopser den Totschläger unter seinen Füßen durchzischen, packte die Dachrinne, schwang sich hinauf und tat dann etwas Seltsames: Er drehte sich noch mal zu mir um, eine schmale, in hängende Fetzen gehüllte Gestalt, sah auf mich herunter aus unnatürlich hellen, glühenden Augen, Augen wie aufgeblendete Xenon-Scheinwerfer, und gab ein Geräusch von sich wie .
Im nächsten Moment war er fort, mit affenartiger Behendigkeit die Pfannen hoch und über die First verschwunden, und da, wo er sich noch mal umgedreht und . gefaucht . hatte, klaffte jetzt ein kanaldeckelgroßes Loch. Von einem Ziegelstein. Erstes und bestes Wurfgeschoß, das mir unter die Finger gekommen war. Nur leider auch daneben.
Fragen, Fragen, Fragen schossen mir durch den Kopf, während die Carina das beste aus den um die späte Stunde doch recht entvölkerten Straßen machte und ihre lockeren Hundertzwanzig hielt, egal, in was für einer Farbe die Ampeln gerade leuchten mochten.
Fragen, Fragen, Fragen.
Woher wußte Det, wer ich bin? Und wo ich wohne? Er konnte mir nicht gefolgt sein. Nicht letztes Mal, als ich ihn mit der S-Bahn nach Rellinghausen geschickt habe, noch heute, wo er schon hinter dem Müllcontainer gelauert haben muß, als ich aus dem Bus stieg. Hinter dem Müllcontainer, Draht in der Hand. Zum Töten entschlossen.
Bernhard war um die Ecke gestürzt gekommen, entgeistert, wo ich stand, schäumend, und hatte drei oder vier Minuten gebraucht, das Drahtgezwirbel in meinem Nacken zu lösen.
Hätte die blöde Birne über der Haustür funktioniert, hätte ich den Schlüssel ins Schloß gesteckt, anstatt ihn ins trübe Licht zu halten, ich wäre jetzt schon steif. Für immer tot.
Uuups! Na, das war mal ein Taxifahrer, der mich nicht so bald vergessen würde.
So aber hatte ich nur um je Dreiviertel meines Halses und meines linken Handgelenks einen tiefen Striemen davongetragen, der aussah, als ob ein pingeliger saudischer Justizvollzugsbeamter schon mal mit Rotstift vorgezeichnet hätte: >So, entlang dieser Linie, und nirgendwo sonst, hacken wir ihm erstmal die Hand ab. Für die Dattel, die er angeblich nur im Einkaufswagen übersehen hat. Und wenn wir damit fertig sind, heißt es genau hier, wo ich den Strich gemacht habe: Rübe runter. Für sein respektloses Lachen, als der Mullah vom Kamel getreten wurde. Das sollte ihn lehren.<
Fragen, Fragen, Fragen.
Wie kann sich
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