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Prickel

Prickel

Titel: Prickel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Gartengestaltung< gearbeitet. Meistens habe ich Löcher gegraben. Rüdiger Krummhahn ist ein Freund meines Vaters gewesen. Dann ist er gestorben, von heute auf morgen. Sein Sohn Rainer hat die Firma übernommen, und praktisch das erste, was er gemacht hat, war, einen Bagger zu kaufen, den er dann selber bediente. Letzten Dezember waren es ziemlich genau zwei Jahre, die ich ohne Arbeit war. Inzwischen bekam ich Sozialhilfe, und da mein Vater nach der Scheidung in die USA gezogen ist und meine Mutter trinkt, schaute einmal im Monat so ein Typ von der Arbeiterwohlfahrt bei mir vorbei. Ein netter Kerl mit langen grauen Locken und einem grauen Bart. Walter Vogel heißt er. Ich solle die Hoffnung nicht aufgeben, meinte Walter immer. Irgend etwas würde sich schon ergeben. Doch inzwischen hatte ich nichts Richtiges zu tun.
    Weil man nicht den ganzen Tag zuhause hocken kann, bin ich viel spazierengegangen, bei jedem Wetter.
    Auch Det schien keine Arbeit zu haben, denn ich habe ihn um die Jahreswende herum beinahe täglich und zu den unterschiedlichsten Tageszeiten getroffen. Auch er war immer allein unterwegs. Meist lief er mir irgendwo ganz plötzlich über den Weg, und von da an zog er mich dann mit sich mit. Ob ich wollte oder nicht. Und ich muß sagen - je öfter es passierte, desto weniger gefiel es mir. Mit Det zusammenzusein war immer irgendwie nervenaufreibend. Es fing meistens ganz harmlos an, mit einem kleinen, gemeinsamen Gang um den Block, etwas Geplauder, einer Straßen- oder S-Bahnfahrt, nur um irgendwann abzudrehen und beinahe jedesmal in irgendeiner Form von ... Chaos zu enden. Nicht, daß mir auch nur einmal wirklich etwas zugestoßen wäre, nein, das nicht, aber es war fast immer . haarscharf. Beängstigend. Und darum wäre es mir lieber gewesen, er hätte mich in Ruhe gelassen. Doch ich wurde nie gefragt.
    Vor allem, wenn das Wetter schlecht war, sind wir eine Menge S-Bahn gefahren. Det kannte sich aus. Er wußte immer, wo wir uns befanden, und immer, wie man von da aus wieder nach Hause kam. Ohne ihn wäre ich oft völlig aufgeschmissen gewesen. Doch Det wußte überall Bescheid.
    >Hier steigen wir aus<, würde er sagen, >gleich um die Ecke kenn ich eine gute Kneipe.< Und das stimmte dann. Ja, wir waren viel in Kneipen. Sehr viel. Nur >gut< - also, ich weiß nicht. Für mich waren es samt und sonders üble Kaschemmen.
    Bahnhofslokale, in denen die Gäste schon mittags betrunken waren. Cafes, die rund um die Uhr geöffnet hatten und in denen graugesichtige Taxifahrer von Kaffee und Pillen zu leben schienen. Bars mit roter Beleuchtung. Immer wieder Bars. Sobald es dunkel zu werden begann, zog es Det in ihre Nähe. Und das war merkwürdig. Denn, obwohl er fast immer nur nett tat und unaufhörlich lächelte, war es doch unverkennbar, daß er all die Leute, denen wir in diesen schäbigen Lokalen begegneten, verachtete, ja geradezu haßte.
    Die Männer waren für Det allesamt >Säufer<, >Penner<, >Versager< und >Idioten<. Die Frauen nannte er >Schlampen<, >Nutten<, und . Schlimmeres. Doch während manche Männer auch schon mal als >Typ< durchgingen oder als >Kerl<, blieben die Frauen immer >Schlampen<, >Nutten< und . was ihm sonst noch so einfiel. Fiese Ausdrücke, jedenfalls. Dabei machte ihn allein schon die Nähe von Frauen seltsam kribbelig. Ja, richtig auffällig. Stellte sich eine neben uns an die Theke, wurde er ganz nervös, scharrte mit den Füßen, leckte sich die Lippen, wischte sich die Handflächen an den Hosenbeinen ab. Kribbelig, wie ich schon sagte. Sollte ihn dann noch eine ansprechen, etwa um Feuer bitten, war es ganz vorbei. Er wurde dann regelrecht kopfscheu, hektisch. Stotterte. Kaum, daß wir jedoch danach wieder allein waren, fing er sofort wieder an, auf seine vertrauliche Art mit mir zu plaudern. >Die wollte bestimmt nur bumsen, die Schlampe<, sagte er dann, oder etwas Ähnliches. Und immer, jedesmal, tat er anschließend so, als hätte ich mich gerade wie ein Idiot benommen.
    Es stimmt schon, auch ich bin Frauen gegenüber . schüchtern, ja. Sehr. Sie sind so . aufregend. Und so unnahbar. Zumindest für mich. Ich bin nicht besonders schlank, und meine Anziehsachen sind, naja, eher robust als modisch. Und ich weiß nie, was ich sagen soll. Nie. Das ist tödlich. Ich wünschte ehrlich, es wäre anders. Aber es ist so. Das ist allerdings kein Grund, ständig darüber herzuziehen.
    Wenn Det ein paar Biere aufhatte, wurde er meist etwas mutiger. Dann scherzte er schon mal mit einem

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