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Prickel

Prickel

Titel: Prickel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Barmädchen oder einer Bedienung, oder einer dieser traurigen Frauen, die den ganzen Tag in der Kneipe zu hocken scheinen. Sein größter Spaß war es dabei, mich in Verlegenheit zu bringen. >Mein Freund Prickel hier ist ganz wild auf dich<, würde er zu einer sagen, und wenn ich mich dann wegdrehte und rot anlief, wollte er sich gar nicht mehr einkriegen vor Lachen.
    Noch etwas machte er gerne: Er provozierte Streit. Meist hinter meinem Rücken. Ich weiß nicht genau, wie er das anstellte, aber es war fast immer so, daß mich - ausgerechnet mich - urplötzlich irgendein Betrunkener an der Schulter packte und wegen etwas, was ich angeblich gesagt oder getan haben sollte, beschuldigte, bedrohte, manchmal auch sofort zu schlagen versuchte. Ich war dann jedesmal vor Schreck wie gelähmt. Nicht so Det.
    >Laßt meinen Kumpel in Ruhe!< schrie er, empört, und ging auf jeden los, der mich auch nur schräg anguckte. Die ersten Male war ich noch beinahe gerührt gewesen, und auf eine dumme Art glücklich, solch einen Freund zu haben. Mit der Zeit ging mir allerdings auf, daß es ihm gar nicht um mich ging, sondern er nur auf Gelegenheiten lauerte, das zu tun, was er am liebsten machte: Leuten an die Gurgel gehen. Fremde Leute blutig schlagen. Und es gelang ihm jedesmal. Niemand schien vor einem Kampf mit ihm zurückzuschrecken, klein, wie er war. Diese Trottel. In der ganzen Zeit habe ich Det nicht einmal verlieren gesehen. Immer lagen oder saßen ein oder zwei Männer auf dem Boden, wenn wir mit raschen Schritten das Lokal verließen, (ich in Dets energischem Schlepptau), hielten sich stöhnend schmerzende Stellen oder betrachteten mit stumpfen, nichts begreifenden Augen ihr eigenes Blut, ihre eigenen, auf dem Boden verstreuten Zähne, Haare, einmal sogar ein Ohr.
    Allmählich dämmerte selbst mir, der ich nicht der Schnellste bin: Ich war da mit einem ultrabrutalen Schläger unterwegs. Und ich hätte mich gesträubt, habe es auch, versucht zumindest. Ich wollte nicht mehr mitgehen, wenn er plötzlich aus dem Nichts an meiner Seite auftauchte, mich am Arm nahm und sagte >Laß uns nach Essen fahren, in dieses Billardcafe, du weißt schon .< Und letztendlich wäre ich auch nicht mehr mitgegangen, hätte mich einfach steifgemacht und wäre stehengeblieben, wo ich war, wenn er mir nicht . nicht immer wieder dieses Versprechen gemacht hätte.
    >Ich besorg dir eine Freundin<, flüsterte er, wenn er merkte, daß ich mich fürchtete, mitzugehen. >Ich besorg dir eine Freundin, die alles mit dir macht. Hörst du? Alles.<
    Wie er das anstellen wollte, sagte er nie. Nichtmal andeutungsweise. Brauchte er auch nicht. Seine Worte verfehlten auch so nicht ein einziges Mal ihre Wirkung. Ich nehme an, daß ich ihm wohl einfach glauben wollte.
    Veronika kam mich mit ihrem funkelnagelneuen roten AudiCabrio zuhause abholen. Das gab's nicht alle Tage. Eine kleine Warnglocke in meinem Hinterstübchen tönte >bim<.
    Mit offenem Verdeck rollten wir durch den lauen, endlosen Juniabend. Kummer? Sorgen? Leck Arsch. Sicher, der Zustand der Welt war beklagenswert, doch was kratzte es mich? Ich war mit einer schönen Frau zum Essen unterwegs und deshalb von entschlossen guter Laune.
    Cabriofahren ist ja eigentlich meine Sache nicht. An jeder Ampel stieren sie dir ins Auto.
    Männerblicke fragten, ob ich wohl mit der Blonden bumste, Frauen wollten eher wissen, ob ich es war, der ihr den Wagen gekauft hatte. Ich nickte allen freundlich zu.
    Im >Waldschrat< setzten wir uns auf die kastanienbeschattete Terrasse und bestellten Getränke - ich einen Halben Bier, sie ein Glas Weißwein, an dem sie die nächsten anderthalb Stunden entschlossen nippen würde - und Vorspeisen. Ich wollte eine Fischsuppe, Veronika einen kleinen Salat und Essig und Öl extra. Dann legten wir die Speisekarten fürs erste aus der Hand und sahen uns an. Sie war schön wie immer, auf diese adrette Art; mit einem makellosen Make-up, perfekten Fingernägeln und einem mintgrünen Kostüm, dem man auf tausend Meter ansah, daß es eine ordentliche Stange Geld gekostet hatte. Ich trug wie immer Jeans, Basketballschuhe und ein aus der Mode gekommenes, vor allem unter den Achseln sehr blaßblaues Muskel-Shirt. Meine verschrappte Motorradjacke hatte ich über die Stuhllehne gehängt. Wir schwiegen ein bißchen, und sahen uns weiter an. Da sie es war, die mich angerufen und um dieses Treffen gebeten hatte, (jawohl, >Treffen< - machen wir uns nichts vor - dies war kein Date), gab ich mir keine

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