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Prickel

Prickel

Titel: Prickel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Glück, daß er sich retten konnte.«
    Ich dachte an die Anstalt in Ratingen und daran, daß Glück ein dehnbarer Begriff und allenfalls Auslegungssache ist.
    Ein paar weitere um Präzision bemühte Fragen und paar weitere wohldurchdachte, wenn auch mit zahllosen >irgendwies< unnötig in die Länge gezogene Antworten später wurde es Zeit für mich. Zeit, an die Luft zu kommen.
    Immer noch an Resten der giftigen Schwaden würgend trat ich unten auf die Straße. Es würde ein weiterer heißer Tag werden. Von mir aus.
    Womit hatten sich Det und Bernd beschäftigt, hatte ich, unter anderem, noch gefragt. Womit hatten sie die Zeit totgeschlagen? Wo könnte man anfangen, nach Det zu suchen? Wenn es ihn gab?
    Sie sind viel S-Bahn gefahren und viel in Kneipen gewesen, hatte Walter Vogel geantwortet. Viel in Bahnhofskneipen, aber auch in Rotlichtbars und ähnlichen Lokalen.
    Im Bestreben, Bernd Roselius' Unschuld zu beweisen, hatte sich der wackere Sozialarbeiter selbst auf die Spuren der beiden begeben und hier und da nachgefragt. Nicht, daß es viel gebracht hätte. >Ich scheine mit dieser Szene irgendwie nicht richtig verschmelzen zu können<, war seine selbstkritische Einschätzung gewesen. >Die Leute in diesen Lokalen haben mich stellenweise begafft wie einen Marsmenschen.<
    Walter, dachte ich und lief die Friedrichstraße runter, woran um alles in der Welt kann das nur gelegen haben?
    Nein, dies war ein Job für jemanden, der geübt darin ist, mit den unterschiedlichsten Szenen zu verschmelzen. Und der einen ordentlichen Stiefel vertragen kann. Hu-ha! Sicher, machen wir uns da nichts vor, ich hege eine starke Schwäche für geistige Getränke, doch die Aussicht auf Tage, möglicherweise Wochen in Bahnhofslokalen und ähnlichen Sammelpunkten der Hoffnungslosen schaffte es, mich schon im voraus vollkommen runterzubringen. Das hat kaum etwas mit Trinken zu tun, was die meisten dieser Figuren da abziehen. Das ist mehr ein Vorgang wie, sich mit dem Hammer vor die Rübe zu kloppen, bis man nichts mehr merkt. Und, was das Schlimmste ist: Das färbt ab.
    Veronika hatte ja keine Ahnung, auf was für einen miesen Trip sie mich hier geschickt hatte.
    Die grauhaarige, lesebebrillte, strickbejackte, scharfzüngige, halbvertrocknete kleine Säbeltucke ließ mich gewaltig zappeln, doch ich bekam meinen Scheck. Nur, wie ich geahnt hatte, schließlich kannte ich das alte Luder - >aus buchungstechnischen Gründen<, wie sie mir spitz mitteilte -einen Verrechnungsscheck.
    Den schluckte mein Konto bei der Sparkasse, ohne daß es den ins Bodenlose gesackten Pegel merklich gehoben hätte. Mit Mühe und Not bekam ich fünfhundert raus.
    Ich sah auf die Rathausuhr. Was jetzt? Die Zeit war knapp. Wie eigentlich immer, bei mir.
    Man könnte meinen, ich brauche das. Immer auf dem Sprung, immer in Hektik, Drosselklappen und Adrenalindrüse immer bis hintenhin aufgerissen . Schnelles Leben, maximale Pulsfrequenz, ständige Reizüberflutung: Streß als Droge.
    Dabei ist das Humbug. Im Grunde will ich nur meine Ruhe haben. Ein beschauliches Dasein.
    Ich kann ganz wundervoll den ganzen Tag im Bett liegen und nichts tun, außer mit den Zehen zu knibbeln. Ein gutes Buch dazu, ein Tässchen Tee, vielleicht, Nachmittage mit der Rosenschere im Garten . Abends dann ein paar Patiencen legen oder Linda de Mol beim Zähnefletschen bewundern . Und das wären sie auch schon, meine Grundbedürfnisse. Mehr brauchte es nicht.
    Ehrlich.
    Ich jonglierte ein bißchen mit Zahlen. Im Kopf. Zeiten und Entfernungen und die Wahrscheinlichkeit des Unvermeidbaren einkalkulierend . Wenn ich richtig Gas gab, könnte ich es so eben schaffen, nach Oberhausen zu stochen, da rasch zu klären, was zu klären war und trotzdem meine anderen Termine halbwegs pünktlich und in der Reihenfolge, wie ich sie eingeplant hatte, über die Bühne bringen. Ich hetzte zum Auto.
    Zorro machte die übliche Runde mit mir. Bellend, geifernd, kurz vor dem Überschnappen. Sonst war keiner draußen auf dem Platz. Pechschwarzer, funkendurchsetzter Rauch quoll aus dem Ofenrohr über dem Wellblechschuppen.
    Ata wird doch nicht wieder am Herd stehen? fragte ich mich.
    Nein, Ata war unschuldig diesmal. Alles, was er machte, war, mit dem Brenner aus einem übel verunfallten Golf neueren Datums die Fahrgestellnummer herauszuschneiden. Ich fragte ihn nicht, wofür er die brauchte.
    Larry war es, der heute für die Qualmentwicklung sorgte, wenn auch nicht am Herd. Er kniff mit einem mächtigen Bolzenschneider

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