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Prickel

Prickel

Titel: Prickel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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aufzuspüren, recht häufig mit Sozialarbeitern zu tun gehabt und dabei ein paar wirkliche Überraschungen erlebt. Es hat meine Vorurteile ein wenig, na, gemildert. Manche dieser Leute hatten sich als verdammt ausgeschlafen herausgestellt.
    Wenn man Walter Vogel beim Hantieren mit seiner Pfeife zusah, wußte man sofort, daß der nicht zu dieser Sorte gehörte. Er schien über etwas nachzugrübeln, und das Hantieren schien ihm dabei zu helfen. Mir half es nicht. Mich machte es krank. In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie etwas so Umständliches beobachtet. Die Pfeife war ein alter, abgegriffener, obenrum völlig verschmurgelter Rotzkocher, man konnte also davon ausgehen, daß er sie schon eine Weile besaß, doch Walter Vogel fummelte damit herum, als hätte er das Ding zum erstenmal in den Fingern und wäre sich nicht sicher, in welches Ende der Tabak kommt. Ich mußte mich auf meine Hände setzen, um sie ihm nicht wegzunehmen. Dabei warf er mir ab und zu nachdenkliche Blicke durch eine Brille zu, wie sie heutzutage kein normaler Mensch mehr aufsetzen würde. Ein Fünfziger-Jahre-DDR-Krankenkassen-Gestell, grausam. Doch irgendwie paßte es. Auch sein restliches Outfit hätte sich ja kein normaler Mensch angetan.
    Er hatte drei Streichhölzer abgebrochen und zwei wieder ausgehen lassen, und ich hätte ihm, den zu erwartenden Folgen zum Trotz, beinahe Feuer gegeben, als er endlich den Mund aufmachte. Er sah mich an, sog zweimal an seiner Pfeife, sah konsterniert hinein - sie war aus - und sagte: »Kennst du das Stück >Framed    Ich seufzte. Mein Terminkalender war voll, heute, bis obenhin. Und gleich mein erster Gesprächspartner stellte sich als zäh heraus, zäh wie drei Wochen Regen auf Wangeroog, und wollte obendrein Ratespielchen mit mir spielen. Ich schenkte ihm mein angeödetestes Gesicht.
    »Canned Heat haben es gesungen, und Alex Harvey?«
    Ja, Alex. Stimmt. >I never did nothing ... but I've been framed, framed, framed, framed, framed .< Ich erinnerte mich. Die ganze LP hieß so.
    »Und?« fragte ich.
    »Das ist genau das, was Bernd Roselius passiert ist. Er ist hereingelegt worden.«
    Endlich hatte er die Pfeife an. Augenblicklich wünschte ich, er hätte es nicht geschafft. Ich weiß nicht, was für eine Mischung er da rauchte, aber abgeschnittene Fußnägel schienen mir einer der Hauptbestandteile zu sein. Er wedelte etwas von dem beißenden Qualm beiseite und blickte mich todernst an. Hatte er Tränen in den Augen? Ich bestimmt.
    »Bernd Roselius«, sagte er mit nachdrücklicher Betonung, »ist das Opfer eines absolut abgefeimten, mörderischen Planes geworden.« Womms! Er ließ den Satz einen Moment lang einwirken, ehe er weitersprach. »Ich habe das auch der Polizei gesagt, aber die haben mich behandelt, als hätte ich sie nicht alle und dann nach Hause geschickt.«
    Ich versuchte, mir die Szene vorzustellen. An deren Stelle hätte ich wahrscheinlich genauso reagiert. Spätestens, wenn er die Pfeife aus der Tasche gezogen hätte.
    Er sprach weiter, und ich hörte zu. Von Minute zu Minute konzentrierter, fast ohne es zu merken. Ich griff nach Block und Stift. Plötzlich spürte ich meinen Puls. Die Geschichte, die er mir da auftischte, war unglaublich.
    Doch davon einmal abgesehen, hatte sie Hand und Fuß. Und der mysteriöse zweite Mann hatte plötzlich einen Namen.
    Hier unterbrach ich. Ich fragte: »Hast du diesen >Det< einmal persönlich gesehen?«
    Walter Vogel schüttelte das dreadlockige Haupt. »Nein, nie. Ich kenne ihn nur aus Bernds Erzählungen und die sind irgendwie, naja, nicht eben erschöpfend. Hier mal ein Satz, da mal ein Satz.«
    Ich sagte: »Du weißt, daß sie ihn auf dissoziative Persönlichkeitsstörung behandeln?« Er nickte, säuerlich.
    »Und daß die Ärzte diesen >Det< somit als eine Art Hirngespinst abtun?«
    Walter Vogel nickte dazu. »Ja«, sagte er, »ich weiß. Aber Bernd dissoziiert nicht. Ich kenne ihn lang genug. Laß mich erstmal weitererzählen.«
    Sie zogen also herum, der kleine, flinke Det, und der große, langsame Bernd.
    »Ich habe ihm mehrmals dringend geraten, sich von dem Typen zu lösen, doch muß die Faszination, oder einfach der Einfluß, den Det ausübte, irgendwie stärker gewesen sein, als all mein gutes Zureden und alle meine Warnungen.«
    Und wie das so ist, wenn man nicht auf seinen Sozialarbeiter hört, geriet unser Bernd in gottverdammte Schwierigkeiten.
    »Ich nehme sogar an, daß Bernd bei dem Brand mit ums Leben kommen sollte. Es war einfach

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