Prickel
dicke Kupferkabel in handliche Stücke und schob sie nacheinander in den vor Hitze glühenden Ofen, um die Kunststoffisolierung abzufackeln.
»Kupfer bringt momentan richtig Knete«, vertraute er mir an. Ich wollte kein Spielverderber sein und wies ihn deshalb nicht auf die hundert Meter hohe Rauchsäule hin, die wie ein mahnender Pfeil vom Himmel auf ihren Schuppen herunterzeigte.
»Daß du dich noch hertraust«, knurrte Ata und wandte sich mit dem Brenner in der Hand mir zu.
Ich fragte: »Sind die Polen etwa schon hier gewesen, heute morgen?«
»Oh ja«, sagte Ata vielsagend und machte einen Schritt in meine Richtung. »Die haben uns alles erzählt.«
Links von mir ließ Larry ein längeres Stück Überlandkabel wie zufällig prüfend in seine offene Handfläche klatschen.
»Die waren gar nicht begeistert«, fuhr Ata fort. »Zustände wie in Polen, haben sie gesagt. Da muß ihnen doch tatsächlich gestern Abend einer nachgefahren sein. Einer mit 'nem roten Toyota, der aussah, wie ... wie hat Lazio gesagt? >Wie von letztes Reihe auf die Scharottplatz.< Und ein richtig hartnäckiger Typ, obendrein.« Er wog den Kopf hin und her und regulierte etwas an seinem Brenner, was der Flamme ein noch gemeineres Fauchen gab als vorher.
Larry stand seitlich dicht hinter mir. Dafür, daß ich die beiden schon so lange kannte, war die Atmosphäre nun doch ein bißchen gespannt.
Ich sagte: »Das ist ein Mißverständnis gewesen, letzte Nacht.«
Ata machte »Aaaah, soo«, als hätte sich damit alles geklärt. Ich drehte mich zu Larry. Auch er nickte verstehend, fast schon verständnisvoll. Fast schon zu verständnisvoll.
Ich sagte: »Das waren überhaupt nicht die Motoren, hinter denen ich her war. Nichts als ein Irrtum.« Ata sah zur Decke, Larry bohrte sich mit der Zunge in der Backe herum. »Ihr habt den Typen doch hoffentlich nicht gesagt, wer ich bin?«
Da lachten sie, Ata stellte den Brenner ab und Larry widmete sich wieder seiner umweltschonenden Recyclingaufgabe. »Klar doch«, sagte er. »Mit Foto, Adresse und Telefonnummer. Sie bringen dich um, haben sie gesagt.«
»Und wir sind dich los«, freute sich Ata.
»Hört auf, Jungs«, sagte ich, »redet keinen Scheiß.«
Die beiden feixten breit.
»Was ich nicht verstehe«, meinte Ata und begann, das gerade herausgetrennte Stück Blech mit dem Hammer glattzuklopfen, »ist, warum sich ein Mann mit deinen Talenten immer an die falsche Seite verkauft. Du siehst doch, daß es dir außer Schwierigkeiten nichts einbringt.«
Ich zuckte die Achseln. »Ich habe mich einfach entschieden, nehme ich an.«
Ata ließ das Hämmern sein und beäugte mich listig.
»Erzähl mal, was die da noch alles gelagert haben«, forderte er vertraulich. »Wo ist das überhaupt genau? Kommst du da noch mal rein, wenn du willst?«
»Ata«, antwortete ich, »ich sag doch: Ich hab mich entschieden.«
Er seufzte genervt. »Weißt du, was ich manchmal glaube, Kristof? Ich glaube«, - und hier legte er etwas Gewicht in seinen Tonfall, - »ich glaube manchmal, du bist der letzte ...« Naa, was kam denn jetzt? Ich horchte auf.
». der letzte Romantiker.«
Das gab zu denken. Das konnte ich unmöglich auf mir sitzen lassen. Das schrie nach einer passenden Entgegnung. Schweigend sah ich mich um. So, wie man sich in der Schmiede eines Museumsdorfes umsieht, vielleicht. So also hat man damals gearbeitet? So hat damals die Kriminalität ausgesehen? Bevor es Telefone gab, PCs und Faxgeräte? Vor der Erfindung von EG-Subventionen? Vor der Einführung von Anlage- und Kreditbetrug?
Ich betrachtete Larry, wie er vor seinem rotglühenden Ofen schwitzte, und Ata mit seiner Fahrgestellnummer, zu der er jetzt nur noch einen passenden Golf brauchte, und trollte mich, ohne etwas entgegnet zu haben. Denn, mal im Ernst: Ausgerechnet die nannten mich einen Romantiker?
Im Park blühte, summte und zwitscherte es. Die Straße unter den Bäumen hindurch war leicht abschüssig, also machte ich den Motor aus und ließ die Karre im Leerlauf beinahe geräuschlos dahinrollen. Ich hatte es überhaupt nicht eilig. Ein Eichhörnchen überquerte vor mir die Fahrbahn; ich tippte auf die Bremse. Wollte das Tier schließlich nicht erschrecken. Zwei Elstern ließen sich aus einem Baumwipfel auf ein Stück Wiese fallen. Total schöne Vögel, Elstern, finde ich. Eine Meise flog vorbei, einen langen Grashalm im Schnabel. Nistzeit. Man stellt sich das immer so niedlich vor, so beglückend - Nest bauen, Eier legen, die Jungen
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