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Prickel

Prickel

Titel: Prickel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Auto gelagert, ergibt das eine starke Aromen verströmende Mixtur. Unten rührte sich nichts. Ich räusperte mich. Einmal, deutlich. Immer noch nichts. Wenn sie den Rottweiler wirklich mitgeklaut hatten, dann hatten sie ihn woanders untergebracht. Ich zog die Tüte wieder hoch, schmiß sie weg und knotete das Seilende um einen nahen Kamin. Ziemlich weit unten. Er stand nämlich schon ein wenig krumm da, und der Nachkriegsmörtel rieselte aus allen Fugen. Doch andere Möglichkeiten zum Festmachen boten sich nicht, also mußte er es tun.
    Zögernd, langsam, vorsichtig, jedes überflüssige Geräusch vermeidend, ließ ich mich durch das Loch hinab. Mein Seil hat jeden Meter einen Knoten, da hat man schön Halt dran. Praktischerweise endete es knapp über dem Tisch, eine gute Handbreit über den ganzen Flaschenhälsen. Ich wollte ja auch gar nicht wirklich einsteigen. Ich wollte mich nur umsehen. Tat ich auch. Soweit ich es in dem schummerigen Licht erkennen konnte, schien Sony hier ein Warenlager zu unterhalten, Sanyo auch. Und Reebok. Und Wrangler. Und ... - Volkswagen.
    Ich rang um Fassung. Da hatte ich meine Motoren. Gut und gerne zwanzig Stück, wie erwartet. In Drahtcollis säuberlich übereinandergestapelt, bereit zum Abtransport, mit nur einem einzigen, klitzekleinen Schönheitsfehler: Es waren alles gebläsegekühlte Vierzylinder. Und alles Boxermotoren. Und alle, samt und sonders, waren von VW. Schön dampfgestrahlt und mit ordentlichen Plastikstopfen auf sämtlichen Öffnungen. Generalüberholt, jaja. Als Ata das gesagt hatte, hätte ich hellhörig werden müssen. Hätte . werden . müssen. Bißchen spät jetzt, zwischen Himmel und Erde hängend. Eine warme, weiche Schulter hätte ich jetzt gerne gehabt, um mein müdes Haupt dagegen zu drücken und ein paar Tränchen zu vergießen in einem Anfall bodenloser Enttäuschung. Doch alles, was ich hatte, war mein Strick. Ich zog dran. Ich wollte mich hochziehen, doch war der Höhengewinn gleich Null. Weniger als das, um ehrlich zu sein. Auch ging es sehr leicht. Zu leicht. Und dann abwärts.
    Das Krachen des umstürzenden Kamins mischte sich mit dem ohrenbetäubenden Scheppern, mit dem ich auf dem unter mir zusammenbrechenden Tisch landete. Ich nehme an, daß damit das Schnarchen abrupt endete, doch ich weiß es nicht. Noch bevor irgend jemand reagieren konnte, rappelte ich mich auf, raste zur Hintertüre, und der Schlüssel . steckte, dem Himmel sei Dank. Der Rest war atemlose, gliederschwingende Flucht. Halb sechs war ich zuhause. Fertig wie die Wurst.
    >ARBEITERWOHLFAHRT, Kreisverband Mülheim a. d. Ruhr e. V.< Walter Vogel? Erster Stock, Zimmer 3. Keiner da. Greenpeace- und Amnesty-International-Poster an den Wänden, dazu Aufkleber mit >Stop the Bloody Whalings<, >Atomkraft Nein Danke< und >Cuba Libre Holiday Resort<. Ein kleiner Schreibtisch an der Wand, angepinnte Postkarten darüber. Ziemlich viele in rotgelbgrün und/oder mit Hanfblättern drauf. Doch kein Walter Vogel. Wieder auf dem Gang, kam mir ein graubärtiger Typ mit ebenfalls grauen Dreadlocks entgegen, beide Hände in den Taschen einer lila Latzhose über dicken Wollsocken in Birkenstock-Sandalen. Nein, kein Button. Hatte er nach der letzten Wäsche wohl vergessen, wieder dran zu machen.
    »Willst du zu mir?«, fragte er am Stiel einer kalten Pfeife vorbei.
    »Ja«, sagte ich und nickte mir eins. Das hier war Walter Vogel. Irrtum ausgeschlossen.
    Wir gingen in sein Büro. Er nahm an seinem Schreibtisch Platz, ich setzte mich auf einen Klappstuhl. Ich sagte: »Mein Name ist Kryszinski. Ich bin Privatdetektiv und beauftragt, den Fall Bernd Roselius etwas zu durchleuchten. Seine Anwältin sagte mir, Sie - ., du, seist so etwas wie sein Betreuer gewesen?« Er nickte. »Und hättest deine eigene Theorie zu diesem Fall?« Er nickte wieder, griff in die Brusttasche seiner Latzhose und förderte - das hatte ich befürchtet - einen Tabaksbeutel zutage. Gott sei Dank hatte er wenigstens die Bürotüre offengelassen. Mit versonnener Miene begann er, mit seiner Pfeife zu hantieren. Und sagte erstmal nichts weiter.
    Eine Zeitlang ist es ja regelrecht Mode gewesen, und entbehrte wahrscheinlich auch nicht unbedingt jeglicher Grundlage, Leute mit einem >sozialen Touch< in Bausch und Bogen als Spinner abzutun. Und doch habe ich vor allem in der Anfangszeit meiner detektivischen Karriere, als ich mein Geld noch hauptsächlich damit verdiente, im Drogensumpf versackte Sprößlinge mehr oder weniger betuchter Familien

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