Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Prickel

Prickel

Titel: Prickel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
Vom Netzwerk:
angefangen. Mir war eben zum Schreien. Immer nur alle seine Gefühle im Griff zu haben ist auch nicht normal.
    »Kristof«, fragte sie ruhig, »ist es wirklich so schlimm? Du weißt, was ich meine? Es hat nicht nur damit zu tun, daß du mit diesem Doktor nicht zurechtkommst?«
    Was um alles in der Welt dachte sich dieses kleine, blonde Schnäppchen? Daß ich mir so eine Geschichte aus den Fingern zutzelte, nur weil ein fetter, alter Stinker mit Doktortitel an meinem Ego gekratzt hatte? Die Wut schoß wieder in mir hoch wie die Flamme in einem Heißluftballon. Genauso schnell drehte ich sie wieder runter. So kamen wir hier nicht weiter. Ich lehnte meine Stirn gegen das kühle Glas und atmete einmal durch. So.
    »Es ist schlimmer, Veronika«, sagte ich mit meiner ganz normalen Stimme. »Ich verstehe nicht viel davon, aber mein Eindruck ist, daß da eine Art chemischer Gehirnwäsche vorgenommen wird. Was ich nicht kapiere, was mir überhaupt nicht in den Schädel will, ist, was für ein Interesse irgend jemand daran haben könnte, diesen armen Kerl so zugrunde zu richten.«
    »Gut«, sagte sie. »Ich werde sehen, was ich tun kann. Es ist jetzt ... schon ein bißchen spät. In den meisten Büros ist schon Schluß. Ich nehme an, daß ich mit dem Gesundheitsamt sprechen muß, wahrscheinlich auch mit der Staatsanwaltschaft. Kann ich dich morgen früh irgendwo erreichen?«
    »Versuch's bei mir zuhause. Falls ich unterwegs bin, rufe ich dich an. Bist du morgen im Büro?«
    »Warte . Ja. Bis um elf.«
    »Okay.« Wir hängten ein.
    Dieser Blick . Dieser vor Angst halb wahnsinnige, flehende Blick. Und du stehst daneben wie ein Trottel und kannst nichts machen . >Ärztliche Anweisung<, mein Arsch.
    Mir war übel. Die Wut verließ mich, so wie einen die Kräfte verlassen, wenn man nach zwei Stunden verbissenen Ruderns gegen den Strom feststellen muß, daß man einen ganzen Kilometer verloren hat.
    So wie dich der Rausch verläßt, Sonntag morgens, wenn du Stück für Stück dahinterkommst, daß du mal wieder pleite bist, deine Frau bei einem anderen schläft, der Wagen irgendwo im Graben liegt und die Fleppe auf dem Präsidium.
    Was blieb, war eine matte Ernüchterung. Ich ließ die Carina fahren, wohin sie wollte. Mir war immer noch übel. Eine Mischung aus Rast- und Ratlosigkeit rauhte mir die Innenseite der Bauchdecke auf. Da hatte ich zwei Fälle auf einmal, jeder auf seine Art dringend, drängend, unaufschiebbar, und bei beiden war ich vom Anfang meiner Ermittlungen bis hierhin nicht einen einzigen Schritt weitergekommen.
    Ich wußte plötzlich, woher meine schlechten Träume kamen. Und die Katze konnte nichts dafür.
    Als wir stoppten, sah ich auf. Die Carina hatte nach Sültenfuss gewollt.
    »Ja«, sagte Rudi Mißmut zu einem höchstens 18 Jahre alten Tamilen, »ja, ja, ja. Weiß ich alles. Du warst hinten, hast die Türe selber ausgebaut, zwei Stunden dran gesessen und dir auf den Daumen gehauen dabei, ja. Trotzdem kostet das Teil 160 Mark. Wie ich dir vorher gesagt habe. Wenn ich hier jedem, der sich beim Schrauben auf die Finger haut, Rabatt gebe, kann ich die Brocken ja gleich verschenken.« Der Tamile wollte einen Haufen Wenns und Abers anbringen, doch Rudi schnitt ihm das Wort ab.
    »160 Mark. Oder du gehst wieder nach hinten und schraubst die Türe wieder dran. Basta.«
    Das verschlug dem jungen Mann aus Sri Lanka für einen Moment die Sprache. Rudi nutzte die Zeit, um sich an mich zu wenden. »Heiner ist hinten aufm Platz.«
    »Kristof«, freute der sich, mich zu sehen und kam von seinem Stapler gekraxelt. »Sag, gibt's was Neues?« Wir schüttelten Hände. Ich schüttelte Kopf.
    »Leider nein.« Kurz, knapp und mannhaft schilderte ich ihm meine vergeblichen Bemühungen, ließ durchblicken, daß sie mich in Lebensgefahr gebracht hatten, zeigte mich aber unbeeindruckt. Wir Privatdetektive sind alle ein bißchen wie Bruce Willis. Nervenstark, schwer umzubringen und rennen am liebsten im Unterhemd durch die Gegend. Heiner nickte wissend.
    »Zwei Polen sagst du? Mit 'nem alten VW-Transporter, in einem Zustand, wie ihn kein normaler Mensch -« hier brach er ab, warf mir einen kurzen Seitenblick zu, schnalzte mit der Zunge und fuhr dann fort: - »fast kein normaler Mensch fahren würde? Kenn ich. Die waren schon ein paarmal hier. Doch jetzt zu deinem Auto: Was genau brauchst du?«
    »Heckscheibe, vier Reifen, Auspuff.« Heiner rieb sich das Kinn.
    »Mit der Scheibe könntest du sogar Glück haben. Da mußt du mal

Weitere Kostenlose Bücher