Prickel
fehlte.
Als der Kessel pfiff, hatte ich den Hörer schon am Ohr und Veronika van Laar in der Leitung.
»Baby«, sagte ich zu ihr, »mir geht da was im Kopf 'rum. Wenn das wirklich ein Lustmord gewesen sein soll, dann, ähm, also, sollte man doch annehmen, daß das Opfer . wie hieß sie noch -?«
»Monika Siebert.«
»- diese Monika Siebert vergewaltigt wurde, oder nicht? Und davon muß es doch . Spuren gegeben haben, oder? Hast du den Autopsiebericht gelesen? Bei meinen Unterlagen ist er nicht.«
»Ja, stimmt«, sagte sie. »Es wurden Spermaspuren in der Leiche gefunden. Jetzt weiß ich auch, worauf du hinauswillst, und du hast recht: Sie stammen nicht von Bernd Roselius. Nur, zu seiner Entlastung wird das nicht beitragen. Schon die Polizei hat durchblicken lassen, das Sperma könne ebensogut von einem zufällig kurz vorher dagewesenen, an der Tat selber überhaupt nicht beteiligten anderen Freier der Frau stammen. Immerhin scheint sie ja zumindest gelegentlich auf den Strich gegangen zu sein. Und Roselius hat sie, nach deren Theorie, eben umgebracht, ohne in sie ejakuliert zu haben. Dafür hatte er einen Fleck seines eigenen Samens vorne auf dem Hemd.«
»Hört sich für mich an, als ob er sich oder sie ihm einen runtergeholt hat«, dachte ich laut.
»Ja, das hört sich so an«, sagte Veronika trocken.
»Gut«, faßte ich zusammen. »der Autopsiebericht entlastet ihn zwar nicht direkt, aber er belastet ihn auch nicht weiter. Doch wie steht es mit der Untersuchung seiner Person? War er verletzt? Kratzer, Bisse, Blutergüsse, irgend etwas, das auf eine Gegenwehr, auf einen Kampf schließen läßt?«
»Nein«, antwortete sie, »nichts dergleichen. Und wieder nutzt es uns fast nichts. Er könnte ihr schließlich, wie Kommissar Schneider gesagt hat, die Kehle von hinten durchgeschnitten haben, ohne daß sie eine Chance gehabt hätte, sich zu wehren.«
Hm. Wir schwiegen einen nachdenklichen Moment lang.
»Und daher dann auch das Blut an seinen Klamotten«, sagte ich schließlich.
»Ja, das ist etwas. Das Blut und das Messer. Diese beiden Punkte werden uns das Leben noch schwer machen, fürchte ich. Aber sprich doch noch mal mit Walter Vogel, ja?«
»Ja«, sagte ich, und fragte, gerade als wir schon einhängen wollten, noch rasch, ob sie bei den Ämtern schon etwas erreicht habe? Doch nein. »Also, tschüs bis morgen.« Ja, tschüs.
»Hmmmm?« meldete sich Walter Vogel. Er hörte sich an, als habe er die Piepe noch immer zwischen den Zähnen. Ich sagte ihm meinen Namen.
»Woher hatte unser Freund Bernd das Messer«, fragte ich dann, »und woher das Blut an seinen Plörren?«
»Also, er hat, hmm, mir gegenüber, hmm, etwas davon gesagt, geschubst worden zu sein, auf das, hmm, Opfer, irgendwie.« Er hörte sich nicht nur an, als habe er die Piepe noch zwischen den Zähnen, sondern auch, als wäre zumindest in der letzten Füllung etwas Stärkeres dringewesen als sein üblicher Mix aus Pferdehaaren und alten Fußnägeln.
»Und das Messer, hmm, also das ist ihm irgendwie in die Hand gedrückt worden.«
»Als du nach diesem Det gesucht hast, wonach hast du da Ausschau gehalten? Ich meine, wie hat Bernd ihn beschrieben? Wenn er hat?«
»Jaa, hmm, also, irgendwie klein, hat er gesagt, ungefähr Mitte bis Ende zwanzig, und mit auffallend stechenden, blauen Augen. Das ist, hmm, fürchte ich, eigentlich alles.« Ich wartete noch einen Moment, dann kam es: »Irgendwie.«
»Und wo, meinst du, hätte man die besten Chancen, ihn aufzuspüren?«
»Tja, wie gesagt. Rings um Bahnhöfe, irgendwie. Und, hmm, abends auch schon mal in den Rotlichtvierteln unserer Nachbarstädte, würd ich meinen.« Mülheim, muß man dazu wissen, hat keinen Sperrbezirk. Mülheim hat auch kein Jugendzentrum. Mülheim hat noch nicht einmal ein Bahnhofsklo. Keine Junkieszene. Kein nennenswertes Nachtleben. Kein Programmkino. Keine Punker, keine Hausbesetzer, keine Autonomen. Andererseits aber auch kaum Neonazis. Für all das haben wir in Mülheim unsere Nachbarstädte.
»Irgendein Lokal, oder von mir aus auch nur eine Stadt, wo sie sich öfter aufgehalten haben?«
»Nicht, daß ich, hmm, wüßte. Bernd hat ja keinen besonderen Ortssinn und, mir gegenüber zumindest, irgendwie kein Lokal mit Namen genannt.« Ich bedankte mich und sagte Tschö.
»Hmmm.«
Rings um Bahnhöfe. S-Bahn-Haltestellen eingerechnet gibt es davon in Ruhr-City ja auch nur hundertfünfzig Stück. Mal, sagen wir, drei Kneipen in direkter Umgebung, und wir haben das, was
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