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Prickel

Prickel

Titel: Prickel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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hatten freie Bahn.
    Weggeschleift hatten sie meinen Klienten, und er hatte abwechselnd geschrien und gewimmert. So muß es in Folterkellern zugehen.
    Keiner meiner Einwände hatte das geringste zu ändern vermocht.
    >Ärztliche Anweisung,< hatte es lakonisch geheißen; so wie es >Göttliches Dekret< während der Spanischen Inquisition geheißen haben mag.
    Ein Knuff noch, und ich stand draußen. Mit sattem Klacken fiel hinter mir das Tor ins Schloß. Da stand ich nun, draußen, immer noch bleich und zittrig vor Ohnmacht, während sie drinnen meinen Klienten auf den nächsten Höllentrip schickten. Es war nicht zu fassen.
    Hatte er mir wirklich Dets Nachnamen verraten wollen, oder war >Nnn -< nichts als der Anfang eines gestammelten Neins gewesen?
    Da stand ich nun, um nichts, aber auch um gar nichts schlauer, und hätte mich am liebsten umgedreht und meinen Frust aus mir herausgeschrien, wie ein Besoffener, den sie aus der Kneipe geschmissen haben.
    Hm.
    Also stapfte ich zum Auto. Riß beim Türezuschlagen fast den Griff ab. Startete, jagte den Drehzahlmesser in den Bereich, der hinter >Rot< kommt, kloppte den Ersten rein und ließ die Kupplung schnackeln. Nach einem Moment ballistischer Verzögerung gewann die Carina allmählich an Geschwindigkeit, dabei röhrend und kreischend und den Arsch in Rauch gehüllt wie eine Rakete beim Abheben.
    Die arme Carina kriegt immer alles ab. Manchmal hilft es, manchmal nicht.
    Wir dröhnten durch den Park. Was Beine oder Flügel besaß, machte sich weiträumig vom Acker.
    An der ersten Telefonzelle unterwegs bremste ich die Fuhre zusammen. Natürlich brauchte es eine Telefonkarte! Ich wollte schon den Hörer abreißen und in die Botanik pfeffern, als mir etwas einfiel. Ich kramte in der Jacke nach. Schau an! 75 Jahre Stadtsparkasse. So ein Zufall. Um vielleicht ein Prozent besänftigt schob ich sie in den Schlitz und tippte eine Nummer aus dem Gedächtnis.
    »Anwaltskanzlei Veronika van Laar«, meldete sich eine manierierte Stimme, »Loftheide am Apparat.«
    Oh, Mann! Veronika hatte vor kurzer Zeit diesen Referendar aufgenommen, Gabriel Loftheide, allein schon der Name!, der Haarspray benutzte und streichholzschmale Krawatten trug und Hosen mit Bügelfalten und hochglanzpolierte Schuhe und durch eine Nase sprach, die von Geburt an ein klein Stückchen höher zu sitzen schien als bei anderen Leuten. Er kam mir heute gerade recht.
    »Hör zu, Schnulli«, ranzte ich, »hol mir die Chefin ans Rohr, und zwar flott, kapiert?«
    Am anderen Ende der Leitung hustete es kurz, als sei dem Teilnehmer ein Krümel in den falschen Hals geraten, ehe eine mühsam ihre Irritation beherrschende Stimme fragte, wen sie anmelden dürfe?
    »Anmelden?« brüllte ich. »Hast du nicht gehört? Gib mir die Chefin, sofort, oder ich komm rüber und tret dich in den Bauch, du Schnösel!«
    »Sind Sie das, Kryszinski?«
    Ich bejahte.
    »Wer auch sonst«, seufzte es. »Sekunde, ich schau eben nach, ob sie Zeit hat.«
    Ich wollte noch Halt! rufen, da war es schon passiert: Der Bastard hatte das gottverdammte Warteschleifen-Geklimper angestellt. >Für Elise< oder ein ähnlicher, nervtötender Scheiß. Das gab meiner Laune den Rest. Als Veronika sich endlich meldete, war ich bereit, zu töten.
    »Hör zu«, brüllte ich.
    »Du brauchst nicht so zu schreien«, unterbrach sie mich mit einiger Kühle. Vielleicht hatte sie recht. Ich riß mich am Riemen, so gut es ging.
    »Paß auf«, sagte ich. »Ich weiß nicht, was da los ist, ich weiß nicht, was die vorhaben, aber eins weiß ich: Dieser NaziDoktor Blandette und seine Helfershelfer machen deinen Mandanten nach Strich und Faden fertig. Ich war heute keine Stunde bei ihm drin, fing gerade an, so etwas wie einen Draht zu ihm zu entwickeln, war gerade an einem Punkt angelangt, von wo ab es hätte interessant werden können, da haben sie ihn aus der Zelle gezerrt und weggeschleppt, höchstwahrscheinlich, um ihn wieder mit irgendwelchen Horrordrogen vollzupumpen. Du hättest sehen sollen, wie er sich gewehrt hat! Verzweifelt, Veronika! Ich habe sowas noch nicht erlebt! Noch nie! Wenn du wirklich etwas für Roselius tun willst, und zwar für einen Roselius, der ein noch halbwegs zurechnungsfähiges menschliches Wesen darstellt, und nicht einen sabbernden Sack voll Knochen mit der Hirntätigkeit von einem Pfund Quark, dann hol ihn da raus! Laß ihn verlegen! Schnell! Hörst du mich?«
    »Laut und deutlich«, sagte sie. Ja, ich hatte wieder ein wenig zu schreien

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