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Priester des Blutes

Priester des Blutes

Titel: Priester des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Clegg
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gedreht. Die andere war ebenfalls ausgestreckt, als gewährte sie jemandem Durchgang. Ich streckte die Hand nach dem Glas aus, in dem Gefühl, ich könnte die Vision berühren, und auch aus Sehnsucht danach, Alienoras Haut wenigstens einmal unter meinen Fingern zu spüren.
    Damit hatte ich jedoch die Vision unterbrochen. Sie kräuselte sich abermals und bildete einen Strudel, und ich erblickte einen weiteren, späteren Augenblick in Alienoras Leben.
    Ich sah zu, wie sie vor Einer großen Ansammlung von Gläubigen der Alten Bräuche erschien. Viele von ihnen trugen Masken auf den Gesichtern, nur einige nicht. Sie hatten auf Einer Lichtung im Großen Wald einen großen Kreis gebildet. Alle waren unbekleidet, und Mere Morwenna höchstpersönlich war die Priesterin dieses Volkes. Ich beobachtete, wie Alienora in die Alten Bräuche eingeweiht wurde, und folgte ihr dann, als sie mit den Hebammen arbeitete und in der Lehre von Wald und Feld unterwiesen wurde. All dies geschah in einer kurzen Zeitspanne.
    Der Winter nahte, und ich sah sie erneut, aber dieses Mal hatte sie begonnen, die Enkelin von Mere Morwenna anzuschreien. »Du hast gelogen! Eure Göttinnen und Götter können mir nicht
helfen! Eure Macht ist nutzlos! Ihr seid ebenso dazu verdammt, in die Hölle zu kommen, wie alles in der Schöpfung! Meine Gebete werden nicht er hört, meine Träume verschwinden nicht! Ich lebe unter den Schwestern und heuchele ihnen etwas vor, dann komme ich zu euren Versammlungen und spreche eure geheimen Worte, aber dies ist ebenso fruchtlos, wie der Gott der Christenheit fruchtlos ist!« Ihr Gesicht hatte ein seltsames Aussehen angenommen, als hätte sie seit Wochen nicht geschlafen. Ich fragte mich, was wohl mit meinem Kind geschehen war, doch ich sah es nirgendwo.
    Als Alienora ihren Zorn wieder unter Kontrolle hatte, kreuzte Calyx die Hände, so dass die Hand flächen auf Alienora gerichtet waren. »Du hast unsere Geheimnisse gestohlen. Es wurde vorhergesagt, dass du kommen würdest, aber ich wusste nicht, was dich leitete. Du empfindest keine Liebe zu deinem Kind, und auch keine zu dem Mann, den du verloren hast. Du hast zugelassen, dass dich deine Träume beherrschten, und deine Ängste haben die Oberhand über dich gewonnen. Das ist nicht der richtige Weg, und es ist nicht der Weg des Waldes. Hiermit bist du verpflichtet, die Geheimnisse von Bran 12 und Cerne und diejenigen um die Alten Bräuche für dich zu behalten.«
    »Ihr Hexen verfügt über keinerlei Macht«, fauchte Alienora. Ich hatte sie noch niemals zuvor so zornig und verbittert erlebt. »Ihr seid schwach und befasst euch mit Tränken, Zaubersprüchen und sinnlosen Ritualen. Ich brauche aber mehr. Ich will mehr.«
    Da begann das Glas abwechselnd heller und dunkler zu werden, wie es mit der Sonne geschieht, wenn Wolken an ihr vorbeiziehen. Ich erhaschte kurze Blicke auf Dinge, auf Menschen und auf einen zweijährigen Knaben, bei dem es sich vielleicht um den
Sohn handelte, den ich nie gesehen hatte. Ob es so war, konnte ich aus der Vision jedoch nicht erfahren.
    Schließlich war der Winter im Wald eingezogen, und ich sah, wie meine Geliebte inmitten von Eis und Schnee dastand. Ihr Gesicht war aschfahl, und ihr Haar wucherte wild und schien ungepflegt. Sie stand am Rande eines dunklen Moores, das von Büschen und Rankengewächsen umgeben war.
    Sie sprach ins Wasser, als könnte ich sie hören. Während ich sie beobachtete, nahm ich all mählich immer mehr von ihrem Flüstern wahr. »Du bist älter als irgendetwas anderes im Wald«, sagte sie zu ihrem Spiegelbild im Moor. »Die Schatten haben mich hergebracht, um dich aus der Tiefe herbeizurufen. Du kommst aus den Schatten und der Finsternis, du, derer ich in den Magdalenenhöhlen ansichtig wurde. Du stehst dort, in Stein gemeißelt, und ich habe in den großen Zeremonien gehört, dass du überwältigt wurdest und nun an dunklen Orten lebst. Ich habe von einem Mann gehört, der einst zu dir kam, weil er um Macht bitten wollte. Du gabst sie ihm, damit er die Invasoren aus unserem Land vertreiben konnte. Ich bitte dich nun, aus der Tiefe aufzusteigen, dich aus der Dunkelheit deines Ortes zu erheben. Ich bitte dich um Hilfe, denn in meinen Gedanken habe ich schreckliche Dinge gesehen, und ich kann mich nicht von ihnen befreien. Wenn es irgendeine Macht gibt, um jemanden zu retten, der verdammt ist, dann muss ich sie besitzen, denn ich kann nicht auf dieser Erde leben, ohne dass mein Liebster sicher zurückgekehrt

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