Priester des Blutes
Dinge.«
»Siehst du?«, fragte Merod in meinem Inneren. »Die Schatten kennen sie. Sie verhöhnen sie. An ihr nehmen sie deine Witterung auf, um dich zu finden.«
Die flüssige Luft bildete einen Strudel und beruhigte sich dann. Das Glas wurde wieder klar. Alienora kniete vor einer dunklen Statue ganz hinten in der Magdalenenhöhle. Ich nehme an, dass es sich dabei um ein Bildnis der Maria Magdalena handelte, doch ihr Antlitz schien nicht heilig zu sein. Stattdessen war es eine aus schwarzem Stein bestehende Statue einer Dunklen Madonna. Ich hatte von dieser Häresie gehört, auch wenn zahlreiche Leute dies nicht als verderblich betrachteten. Aber Alienoras Kirche nahm diese Verehrung, die nicht Maria, der Mutter Gottes, galt, sondern ihrem Spiegelbild, wohl nicht mit Wohlwollen zur Kenntnis. Das Bildnis konnte nicht gerade für Maria Magdalena gehalten werden, denn die Frau, die als Vorbild für die Statue gedient hatte, wirkte wie die Königin irgendeines Landes, nicht wie eine demütige Sünderin, der weibliche Apostel von Christus. Dennoch wisperte Alienora vor dieser Statue das Ave-Maria und küsste ihr die Füße. Dann hörte ich, wie sie laut betete. In meinen Gedanken flüsterte sie: »Liebe Frau, unsere Mutter der Dunkelheit und der geheimsten Orte, lass mich den Traum verstehen, den du mir sandtest. Lass mich seine Bedeutung begreifen. Du weißt, wie ich mich gegen den Allmächtigen und die Engel versündigt habe und wie ich die Kapelle Unserer Lieben Frau am Hofe meines Vaters schändete. Du, liebe Frau, weißt um die Finsternis und um die Verzweiflung. Du kennst meine Sünden. Du verstehst die Visionen von Engeln und Höllengeistern. Bitte leite mich jetzt, und segne Aleric, der Falkner am Hofe meines Vaters war. Segne den Vater meines Kindes«, sagte sie, indem sie ihren Bauch berührte.
Ich keuchte auf, als ich ihre Worte hörte, und hielt einige Augenblicke den Atem an.
Ein Kind.
Ich wollte sie ansehen, ihren Bauch sehen, sehen, wie sie schwanger aussah. meine Vision folgte jedoch dem Anblick von Alienora, wie sie zu der dunklen Madonna betete. Das Gesicht der Figur trug einen gebieterischen Ausdruck, und in ihren Händen hielt sie ein dunkles Kästchen aus Holz. Als Alienora es mit ihren kleinen, weißen Händen öffnete, erblickte ich in seinem Inneren ein getrocknetes menschliches Herz. Die Reliquie der Magdalena.
Alienora beugte sich nach vorn und küsste das getrocknete Herz. »Höre mein Gebet. Rette meinen Geliebten. Rette seine Seele. Bring ihn mir. Wasch mich rein von meinen Sünden.«
Eine andere Vision erschien vor mir: Alienora, wie sie jeden Tag und jede Nacht zu den Füßen der Dunklen Madonna sowohl für ihr Kind als auch für meine Seele betete. »Ich werde alles tun, um ihn zu schützen«, sagte sie. »Alles. Bitte segne ihn. Bitte beschütze ihn vor den Mächten der Hölle. Bitte bring ihn nach Hause, damit er sein Kind sehen kann.« Ihr Bauch weitete sich und ihr Weinen nahm zu.
Dann sah ich die Nacht der Geburt.
Vor dem Heim der Magdalenen wütete ein gewaltiger Sturm über dem Marschland. Blitze schlugen zwischen den Bäumen ein, und ein großes Feuer loderte zwischen den Eichen auf, die vor der Grotte Wache standen.
Vom Eingang der Höhle aus sah ich das Flackern von Kerzen in ihrem Inneren sowie die schattenhaften Gestalten der Nonnen, die sich in dieser Nacht der Geburtswehen um meine Geliebte kümmerten. Ich spürte, wie mein Herz heftig in meiner Brust schlug. Mein Mund wurde trocken, als ich die Geburt meines Kindes als Schattenriss beobachtete.
Im gleichen Augenblick, als Alienora schrie, schrien auch die Non nen vor Freude auf, als sie den Kopf des Säuglings erblickten.
Ein Blitz flammte auf, und für einen Augenblick sah ich sie alle:
mehrere Nonnen, die sich um Alienora versammelten. Sie klammerte sich an ihnen fest und kreischte vor Schmerzen. Ich konnte ein blutiges Neugeborenes in den Ar men Einer der Ordensschwestern erkennen. Eine der Schwestern schrie: »Sie hat es noch nicht geschafft. Es ist noch nicht vorbei!«
Alienora kreischte, ihre Schreie zerrissen die Stille der Nacht.
Die Vision wurde weiß - und eine neue erschien. Ich erblickte die Bäume des Großen Waldes. Ein Sonnenstrahl brach durch die dicken Äste und warf sein goldenes Licht auf die gelben und roten Wildblumen, die den Boden bedeckten und von Farn kraut umgeben waren. Ich kannte diesen Ort. Er lag in der Nähe von Mere Morwennas Häuschen, nah bei einem Bach.
Alienora ritt
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