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Priester des Blutes

Priester des Blutes

Titel: Priester des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Clegg
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diese Bestie fangen wolltest, wie würdest du das anfangen?«
    »Ich würde mir zuerst ein großes Fischernetz besorgen, dann ein Seil. Ich würde das eine Ende des Seils an einen Haken binden, der am oberen Ende des Brunnens befestigt ist. Dann würde ich mit dem Netz den Brunnen hinunterklettern. Wenn ich am Boden ankäme, würde ich das Netz über dem Greif ausbreiten. Dann muss jemand - vielleicht Ihr, Herr - mich wieder hinaufziehen.«
    »Das würde nicht gelingen«, meinte Kenan mit einem Grinsen auf dem Gesicht. »Der Greif wäre zu schwer, als dass du ihn heraufziehen könntest. Und er könnte sich gegen dich wehren. Und dich verletzen. Dich töten.«
    »Er könnte«, sagte ich. »Mittags ist der Greif schwach. Er hat viele Jahre oder sogar viele Jahrhunderte lang nichts gefressen. Er hat seinen Kampfgeist verloren. Und ich, Herr, bin sehr stark.«
    »Eines Tages musst du mir diesen Brunnen zeigen, Dreckspatz«, sagte der Jäger, mein neuer Lehrmeister. Er legte eine Hand auf meine Schulter. »Du bist viel leicht unter einem Glücksstern geboren. Ich glaube, für dich gibt es Arbeit bei der Jagd.« Er sagte zu mir, dass ich, sollte ich mich bei der Arbeit mit den Falken als tüchtig erweisen, schließlich auch Jäger werden könnte, genau wie er Jäger geworden war, nach dem er einst als ein Knabe angefangen hatte, der mit den Pferden arbeitete. Kenan erwähnte kurz eine Erinnerung an meinen Großvater, auch wenn er mir nicht viel von dem erzählte, was er über ihn wusste.
    In jener Nacht zog ich den blauen Stein hervor, den mir mein
Großvater an der Eiche gezeigt hatte und den ich gestohlen hatte, um ihn jederzeit in meiner Nähe zu haben. Ich rieb ihn, damit er mir Glück brächte, und in der Hoffnung, dass ich mich bei meiner Arbeit als fähig erweisen würde und meinen Brüdern und Schwestern auf irgendeine Weise helfen könnte. Ich küsste den Stein und rief mir das Gesicht meines Großvaters in Erinnerung, wobei ich Gewissensbisse verspürte, weil ich den Edelstein nicht an seinen rechtmäßigen Platz zurückgelegt hatte. Dennoch fühlte ich mich getröstet, denn ich hatte die Erinnerung an den alten Mann mit dem Stein verknüpft und hielt sie dort in Ehren.
     
    Von diesem Tage an lebte ich am Hofe des Barons. Wenn ich auch wusste, dass mein Lehrmeister Kenan Sensterre hieß, war ich dennoch angewiesen worden, ihn mit »Herr« oder sogar »Meister« anzusprechen, um des Schlosses willen.
    Nun war das Schloss keine gewaltige Festung, wie sie aus der Geschichtsschreibung bekannt ist, sondern ein recht einfacher Bau aus Holz und Lehm, auf seine eigene Weise großartig, in anderer Hinsicht aber dennoch recht schlicht. Nur ein sehr kleiner Teil davon bestand aus Stein, abgesehen von der Kapelle, der darunterliegenden Küche und einer Art Kerker, der wiederum darunter, nämlich unter der Erde lag. Der Bau war fünf eckig, was seinen Innenraum betraf, aber von außen betrachtet schienen Palisaden einen Kreis um ihn herum zu bilden. Er war an einem niedrigen, sanft abfallenden Berghang erbaut worden, der Aussicht auf Wald und Marschland gewährte und nahe genug an der Abtei und dem Dorf lag, für den Fall eines Angriffes (denn in Wahrheit bildete die Abtei eine bessere Festung, wenn Schwierigkeiten drohten). Das Dorf jenseits davon stand zunächst unter dem Schutz des Herzogs und dann unter dem des großen Königs, dessen Name mir gegenüber nie ausgesprochen wurde, sondern der einfach als Vater unseres Universums bekannt war und gleich auf Gott folgte.

    Der Baron wurde einfach »Mylord« genannt, sollte man ihn je zu Gesicht bekommen, aber in den ersten Wochen meiner Anstellung sprach ich kaum ein Wort mit dem wichtigen Mann. Der Baron selbst war viel leicht der reichste Mann innerhalb von hundert Hektar Land, was, wie ich glaube, heute etwa tausend Acre bedeuten würde. Treveur de Whithors hatte der Name gelautet, unter dem er als Ritter in einem der Kreuzzüge bekannt gewesen war, und nach jahrelangem Schlachtgetümmel war er in seine Schatzkammer - was Land und Geld betraf - zurückgekehrt, hatte rasch geheiratet und besaß nun drei Söhne. Alle waren in den Krieg gezogen, bis auf den Jüngsten, der noch immer ein Säugling war und bei Ammen und Dienstmädchen zurückblieb. Er wurde wie ein verwöhntes Schoßtier behandelt. Außerdem hatte der Baron drei Töchter, die, als sie älter wurden, in der Lage waren, das Schloss selbst zu führen. Seine Ehefrau war erkrankt, nachdem ihr letztes Kind geboren

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