Priester des Blutes
dem Säugling, der tot geboren wurde, war am Kopf ein anderes Kind angewachsen.
Und so hatten Katarin und ihre Schwester Anklage in der Gemeinde erhoben, und die beiden Frauen waren zur Abtei gebracht worden, da sie verhört werden sollten und eine Entscheidung darüber
getroffen werden konnte, ob ein Gerichtsverfahren vonnöten wäre.
Während er sprach, spürte ich, wie mein Herz vor Furcht hämmerte. Ein Fieber fegte durch das Land; eine neue Seuche war im Osten gemeldet worden. Wenn sich diese Seuchen und Miasmen hier ausbreiteten, so war oft der Teufel daran schuld, und die Frauen, in denen ich in zwischen Vertreterinnen des Alten Glaubens sah, wurden als Abgesandte des Satans auf Erden betrachtet, auch wenn ich sie nicht als solche kannte.
Ich muss hinzufügen, dass ich damals an einen Teufel glaubte, doch mein Glaube kann wohl nicht stark gewesen sein. Diese Neuigkeiten über meine Mutter ließen mich nun an allem zweifeln, was ich je über die Hölle und ihre Lakaien geglaubt hatte. Ich kannte die Waldfrauen als gute Menschen, die sich hervorragend mit Pflanzenkunde auskannten. Die Schwierigkeit bestand nur darin, dass sie sich nicht unter das Volk des Dorfes oder der Stadt mischten und niemand sich erinnern konnte, sie je in der Abtei, in einer Kirche oder Kapelle gesehen zu haben.
Ich überreichte dem Abbé den Beutel mit den Münzen, und er nahm sie mit Entzücken an sich. »Natürlich«, sagte er, während er sie zählte, »wenn deine Mutter eine Freundin des Barons ist, dann müssen wir mit diesem Fall sehr sorgfältig verfahren. Unsere Liebe Frau wird zeigen, dass sie unschuldig ist, daran hege ich keinen Zweifel.«
Ich fragte, ob ich sie sehen könnte. Zunächst fragte er mich, ob ich willens sei, mich zu entkleiden, damit er sich vergewissern könnte, dass ich ihr keine Waffe und kein Gift brächte. Anfangs sträubte ich mich dagegen, entschied dann jedoch rasch, dass dies nur ein kleiner Preis dafür war, dass ich sie besuchen konnte. Ich besaß kein männliches Schamgefühl, wie es manche jungen Männer zur Schau zu stellten, und legte ganz bereitwillig meine Kniehosen, meine Stiefel und meinen Kittel ab, so dass ich bis auf die
Halskette mit dem Anhänger, die mir meine Herrin gegeben hatte, nackt vor ihm stand. Er fragte mich, wo rum es sich dabei handelte. Ich nahm die Kette ab und zeigte sie ihm. Da kam er zu mir herüber und trat viel zu dicht an mich heran. Er nahm mir die Kette aus der Hand und drehte sie zwischen den Fingern hin und her. »Das ist die Ketzerei aus dem Osten«, meinte er.
»Es war ein Geschenk von ihrem Verlobten, der nun im Himmel ist«, sagte ich zu ihm. »Obwohl es möglicherweise aus Konstantinopel stammt, könnt Ihr gewiss erkennen, dass es Gott und die Mutter Gottes darstellt.«
»Ja«, antwortete er, wobei das »a« in seinem »Ja« sehr gedehnt klang. »Ich muss es behalten, während du sie besuchst. Dabei handelt es sich um eine Vorsichtsmaßnahme. Hinterher werde ich es dir zurückgeben.«
Dann griff er nach mir und berührte meinen Haaransatz. »Du bist ungewöhnlich«, meinte er. »Ein blonder Jüngling, während die meisten deiner Kameraden dunkelhaarig sind.«
Ich nickte und erwiderte viel zu stolz: »Mein Vater kam aus einem anderen Land, wie mir erzählt wurde.«
»War er ein Wikinger?«
»Ich hörte, er sei ein Sachse«, antwortete ich, »auch wenn das vielleicht nicht der Wahrheit entspricht.«
Seine Finger verweilten zu lange in meinem Haar. »Dreh dich um«, sagte er. Ich tat wie geheißen.
Als ich ihn wieder ansah, hatte er ein sonderbares Funkeln in den Augen. Ich machte mich daran, mich wieder anzukleiden. Er beobachtete mich die ganze Zeit. Dies führte dazu, dass ich mich schmutzig fühlte und das Gefühl bekam, einen noch niedrigeren Rang einzunehmen, als es ohnehin schon der Fall war. Es gefiel mir nicht, mich diesem Mann zur Schau zu stellen, und ebenso wenig gefiel mir sein fischäugiges Starren.
Dann läutete er eine Glocke, um einen Diener herbeizurufen,
der mich zu den Unterkünften unterhalb der Abtei brachte. Dort waren meine Mutter und ihre Freundin eingesperrt.
Es war geschmeichelt, sie »Unterkünfte« zu nennen, da es sich dabei um kaum mehr als einen Tunnel handelte, der in die Erde führte.
Da dieser keine Fenster besaß und daher kaum über Licht verfügte, hätten meine Mutter und Brewalen dort unten ebenso gut lebendig begraben sein können.
Es gelang mir, sie herausholen und für ein Gespräch in einen
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