Priester des Blutes
dass du es weißt. Es gibt so viele Dinge, die ich vor dir verborgen gehalten habe. Ich tat es, um dich zu schützen, da das Leben, das ich geführt habe, weder von Keuschheit noch von heiligen Idealen geprägt war. Aber alles, was ich getan habe, tat ich, um meinen Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen, als ich es führe. Und ich bin stolz, dass du nun hier bist, begünstigt von Seiner Lordschaft, mit Fertigkeiten und Begabungen.«
Ich spürte ein Gefühl der Kälte, als sie so sprach. Es war nicht
einfach meine Fertigkeit, mit Vögeln umzugehen, oder irgendeine naturgegebene Fähigkeit meinerseits gewesen, die für den Glücksfall gesorgt hatten, dass ich für den Baron arbeiten durfte. Sie selbst hatte etwas getan, um dazu beizutragen, meine Einstellung am Hofe zu sichern. Ich versuchte, nicht an die Männer zu denken, mit denen sie ins Bett gegangen war, und mir kam der Gedanke, dass sie sogar dies getan hatte, um ihren Kindern zu helfen. Hatte sie mehr als einmal mit Kenan geschlafen, einfach nur, um dafür zu sorgen, dass ihre Kinder Arbeit finden und sich ernähren könnten? Mir fiel die Redewendung wieder ein, die mein Großvater einmal verwendet hatte. Es war »ein schrecklicher Preis«, den sie gezahlt hatte, als sie noch ein Mädchen gewesen war. Worum hatte es sich dabei gehandelt? Ich sehnte mich danach, sie zu fragen, aber ich wusste, dass dieser Augenblick nicht der richtige Zeitpunkt dafür war.
Sie hielt mein Gesicht in ihren Händen, als sei ich noch immer ihr kleiner Junge. »Du darfst nicht in meiner Nähe sein, wenn ich sterbe. Du musst Abstand halten, denn du könntest deinen Posten verlieren, wenn du Zuneigung zu mir zeigst. Du bist das Kind einer als Hexe angeklagten Frau. Du brauchst um meinetwillen nicht alles zu verlieren, was du besitzt.«
»Mein Posten kümmert mich nicht«, entgegnete ich, indem ich meine Tränen gewaltsam zurückdrängte. »Sie kümmern mich nicht. Ich bin keiner von ihnen, gleichgültig, wie sehr ich es mir wünsche. Wir unterschieden und voneinander. Großvater sagte, wir stammten von einem Geschlecht der Priester des Waldes ab.«
»Wenn du davon sprichst«, sagte sie, indem sie die Stimme zu einem Flüstern dämpfte, »werden sie dich eines Tages ebenfalls verbrennen. Vergiss die Vergangenheit. Vergiss unsere Heimat. Du hast jüngere Geschwister, die ernährt werden müssen. Auch wenn Annik und Margaret sie aufnehmen und andere ebenfalls
ihr Scherflein beitragen werden, sie werden die Gunst ihres älteren Bruders im Schloss benötigen, um zu überleben.«
»Ich werde alles tun, was ich kann«, antwortete ich und hielt die Tränen nun nicht länger zurück.
Sie weinte ebenfalls und bedeckte ihr Gesicht mit den Händen. »Sie werden mich verbrennen. Oder ertränken. Oder sie werden mich in dieser Grabkammer unter der Erde gefangen halten, bis ich an der Pest sterbe. Für mich selbst habe ich keine Angst vor dem Tod. Ich wünschte nur, dass ich mich um meine Kinder kümmern könnte, die noch immer eine Mutter brauchen. Ich habe mein Leben verändert. Die Weisen Frauen des Waldes haben mich die Fertigkeit der Geburtshilfe und die Heilpflanzenkunde gelehrt. Ich bin in der Welt eine Ausgestoßene, aber nicht im Wald. Wenn ich sterbe …«
Ich beruhigte sie und versprach ihr, ich würde einen Weg finden, um ihre Freilassung zu bewirken, und so Gott wollte, auch die von Brewalen.
»Nein«, stieß sie keuchend hervor. »Bitte, Aleric, tu nichts für mich. Du darfst dieses Risiko nicht eingehen. Ich habe nicht all das getan, was ich tat, damit meine Söhne in den Schmutz zurückkehren.«
»Ich werde tun, was ich tun muss«, erwiderte ich.
Dann küsste ich sie und sprach eine Fürbitte für sie, damit Gottes Licht über ihr schiene und ihr sowie ihrer Gefährtin göttliche Gnade brächte. In dieser Nacht ver ließ ich die Abtei mit einem Gefühl der Ermutigung, ja, sogar des Sieges. Jetzt, da der Baron und seine wunderschöne, fromme Tochter den Abbé um die Freiheit meiner Mutter baten, würde sie zweifellos bei Sonnenaufgang freigelassen werden.
Ich ritt nach Hause, durch Marschen hindurch und an Mooren entlang. Das Mondlicht half mir dabei, nicht vom Weg abzukommen.
Doch als ich an einer Kreuzung zwischen der Straße, die aus meinem Heimatland hinausführte, und derjenigen, welche zum Schloss führte, einen schmalen Pfad kreuzte, erblickte ich eine merkwürdige Gestalt mit einem kleinen Bündel in der Hand. Ich kann Ihnen versichern, dass ich das Gefühl
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