PRIM: Netzpiraten (German Edition)
Rust erschrocken. „Er fährt nach sechzehn. Und Notruf blinkt. Was soll ich jetzt machen?“
„Bleiben Sie ruhig! Versuchen Sie, Stockwerk vier zu erreichen! Machen Sie sonst nichts, bis wir uns wieder melden!“ Hoovers Stimme ging fast unter bei den aufgeregten Rufen und lauten Wortfetzen im Kommandowagen.
Die Fahrt kam Belinda Rust unendlich lang vor. Sie wartete vergeblich auf eine neue Anweisung Hoovers. Im 16. Stock öffneten sich die Fahrstuhltüren. Zwei Frauen wollten einsteigen und zögerten dann, als sie das blinkende, rote Licht sahen und die Frau, die sie voller Angst anstarrte. „Prim?“, fragte Rust. Die beiden machten einen Schritt zurück.
„Nehmen Sie bitte einen anderen Fahrstuhl!“, forderte Rust die Frauen auf.
„Kommen Sie doch heraus! Das Notlicht blinkt. Der Fahrstuhl ist nicht sicher,“ antwortete die Jüngere der Frauen.
„Gehen Sie! Ich weiß, was ich tue.“
„Sie können das doch melden. Einfach den Notfall melden, da ist ein Mikrofon beim Blinklicht.“ Während sie das sagte, tippte die ältere Frau eine Rufnummer auf ihrem Handy. „Polizei? Ich bin im Renaissance Downtown Hotel, im sechzehnten Stock. Wir haben hier einen Notfall mit einem Koffer im Fahrstuhl.“
Die Türen schlossen sich wieder, und Rust konnte gerade noch ein lautes Krachen vom Ende des Flures her hören, bevor sich die Kabine nach unten in Bewegung setzte.
„Ich fahre wieder. Jetzt steht die Anzeige auf vierten Stock. Notruf blinkt immer noch.“ Als keine Antwort aus dem Kommandowagen kam, ergänzte Rust: „Haben Sie mich gehört?“
„Ja, Silber, verstanden. Noch einmal: Machen Sie nichts, bis wir uns melden! Und vermeiden Sie den Sprechkontakt, wenn es nicht unbedingt nötig ist!“ Hoover hatte seine Ruhe offensichtlich noch nicht verloren. In der Arena verfolgte man die Geschehnisse im Hotel an mehreren Bildschirmen und über fünf offene Tonkanäle.
Als sich die Türen im vierten Stock öffneten, stand eine große Menschentraube vor Rust. Nach kurzem Zögern bis zur Realisierung des Notfalls kamen zwei Männer in die Kabine und wollten die offenbar völlig verängstigte Rust herausholen. Sie begannen, auf sie einzusprechen und sie aus der Kabine zu zerren, als mit den lauten Rufen „FBI! Alle auf den Boden!“ Hoovers und Wheelwrights Leute mit gezogenen Waffen eingriffen.
21
Paul Hoover hatte sich schließlich gegen McFarlane und Samantha Krienitz durchgesetzt: Belinda Rust nahm nicht an der Beagle-Sitzung in der Arena teil, aber man würde sie rufen, falls man sie benötigte. Hoover war überzeugt, dass es besser wäre, wenn Rust nicht alle Einzelheiten des Einsatzes am Vortag erführe. Sonst könnte sich ihr Verhalten in auffälliger Weise verändern, falls PRIM sie noch einmal für die Übergabe auswählen sollte. Alice folgte meistens Hoovers nüchternen und überlegten Argumenten, gerade wenn sie im Widerspruch zu denen der Krienitz oder McFarlanes standen, aber hier sah sie die Sache anders. Sie war überzeugt, dass Charles Moore, der sich offenkundig ständig in der Nähe der Stoningtons oder Belinda Rusts aufhielt, wenn er nicht in der Arena war, ohnehin alle Details der Sitzung an sie weitergeben würde.
Alice wusste von zwei Versuchen, die Anwesenheit Moores in der Arena kritisch zu hinterfragen. Das Pentagon hatte Geheimhaltungsgründe angeführt, und das FBI sogar, zumindest indirekt, Moores Kompetenz in Zweifel gezogen, um ihn aus dem Beagle-Gremium fernzuhalten. Und wahrscheinlich gab es hinter den Kulissen weitere Versuche in dieser Richtung. Aber Samantha Krienitz verwies stets auf die ausdrückliche Anweisung des Präsidenten, Moore an allen Beagle-Aktivitäten teilhaben zu lassen.
Die Stimmung in der Arena war gereizt. Die meisten Anwesenden hatten Zeitungen mitgebracht, in denen in großer Aufmachung über den - wie richtig vermutet wurde - erfolglosen Einsatz am gestrigen Nachmittags berichtet wurde. Es gab Fotos aus dem Flur im vierten Stock des Renaissance Hotels, und obwohl darauf neben Hotelgästen nur Agenten in Zivilkleidung zu sehen waren, wurde über einen gemeinsamen Einsatz von FBI und Secret Service berichtet. Die ersten Meldungen in den online-Medien und im Fernsehen hatten weitere Zeugen ermuntert, verschiedene Presseorgane anzusprechen und über ihre Beobachtungen zu berichten. Danach mussten auch der über dem Hotel kreisende Hubschrauber der Polizei und die Sperrung der Metro-Zugänge etwas mit dem Fall zu tun haben. Vor allem in den
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