PRIM: Netzpiraten (German Edition)
erkennen. Das galt nicht für die Stimmen aus dem Hintergrund im Kommandowagen. Offenbar war man bereits dabei, weitere Unterlagen anzufordern und die Agenten unauffällig neu zu positionieren.
Unerwartet meldete sich Belinda Rust. Auf der Bildwand konnten die Beagle-Mitglieder sehen, wie sie sich tief über eine Auslage mit glitzernden Parfümfläschchen beugte, um ihre Sprechbewegungen vor möglichen Beobachtern zu verbergen. „Es tut mir leid. Ich muss zur Toilette gehen.“
„Oh Gott!“, stöhnte Wheelwright. Gleich darauf Hoover: „Nein, nein! Das passt doch gut. Wir benötigen Zeit.“ Dann öffnete er das Mikrofon, so dass Rust ihn über den Lautsprecher im Bügel ihrer Sonnenbrille hören konnte. „Gut, kein Problem. Gold wird in ein paar Minuten mit neuen Anweisungen durchkommen.“
Anschließend informierte Hoover die Agenten, die zur unmittelbaren Überwachung und zum Schutz der Rust eingesetzt waren, und wies eine Agentin an, Silber in den Toilettenraum zu folgen. Wenn PRIM Rust beobachteten, würden sie vielleicht durch den unprogrammgemäßen Toilettengang irritiert und machten Fehler, die zu ihrer Entdeckung führten.
Die Rückmeldungen waren allerdings enttäuschend: Nichts oder nichts Auffälliges oder alles normal .
Als Rust wieder in der Parfümabteilung angelangt war, erhielt sie Pamela Stoningtons Anruf. In der Arena und im Kommandowagen war Rust dabei auf den Monitoren zu sehen, und auch die Tonübertragung war perfekt. Stonington las den Text der PRIM-Mail langsam und laut vor.
„Okay. Also nicht langsamer gehen als vorhin. Ist der Weg zum Renaissance egal?“, fragte Rust unter Missachtung des Sprechverbots. Joergensen machte aufgeregte Bewegungen, die Stonington veranlassten, das Gespräch zu unterbrechen. Es war vereinbart worden, dass Rust nur im Notfall oder solange sie nicht beobachtet werden konnte über das Smartphone sprechen sollte. Zwar wurde von allen Seiten beteuert, dass man die Gespräche nicht abhören konnte, aber offenbar war man sich da nicht absolut sicher.
Rust meldete sich gleich darauf über ihr Mikrofon: „Es tut mir leid.“
Hoover schaltete sich ein: „Es ist okay, Silber. Denken Sie daran, dass Sie wahrscheinlich von den Handwerkern beobachtet werden! Gehen Sie in der G Straße nach Osten bis zur 9. Straße und biegen Sie dann links ab, bis Sie auf der rechten Seite vor dem Hoteleingang sind! Das ist die Hausnummer 999. Der Hotelname steht groß darüber. Versuchen Sie, in Bereichen der Lobby zu bleiben, die von möglichst vielen Seiten gut einsehbar sind! Wir beobachten jeden Ihrer Schritte und sind immer bei Ihnen. Keine Angst! Sie haben das bisher sehr gut gemacht.“
In der Arena trafen erste Meldungen über die Rückverfolgung der neuen PRIM-Mails ein. Sie waren nach dem Muster der früheren Mails über viele Stationen gelaufen, Endpunkte hatte man noch nicht identifiziert. Alice telefonierte mit ihrer Gruppe in der NSA und ließ sich bestätigen, dass der Secret Service die verschlüsselten Mails vereinbarungsgemäß an die Dienste weitergeleitet hatte.
Die Agenten im Kaufhaus Macy’s hatten doch noch zwei Personen identifiziert, einen Mann und eine junge Frau, die auf verdächtige Weise Interesse an Belinda Rust gezeigt hatten. Wheelwright befahl, die beiden zu beschatten und alles Verdächtige zu melden, sie aber bis auf weiteres nicht zu stellen.
Als die ersten FBI-Agenten sich aus dem Renaissance Hotel mit der Nachricht über einen Kongress meldeten, hatte man im Kommandowagen gerade telefonischen Kontakt mit der Hotelleitung aufgenommen und von dem Ereignis gehört. Eintausendzweihundert Teilnehmer am Kongress der Chirurgischen Gesellschaft von Washington würden um 18:30 Uhr zur Eröffnungsfeier im Großen Saal des Hotels zusammenkommen. Der Saal und der lobbyartige Vorraum mit dem Tagungsbüro wurde gerade jetzt für die Teilnehmer geöffnet.
„Werden die Gäste oder ihre Gepäckstücke durchsucht?“, fragte Hoover mit dunkler Vorahnung.
„Wir scannen Gepäckstücke, Notebooks und Handtaschen.“
„Wo?“
„An den beiden Eingängen zum Kongressbereich im zweiten Stock. Die normalen Hotelgäste sind nicht betroffen.“
„Wie gelangen die Teilnehmer zu den Eingängen?“, fragte Hoover und strich die Grundrisszeichnungen des Hotels auf seinem Tisch glatt.
„Über die beiden Schräglaufbänder.“
„Nicht auch über die Fahrstühle?“
„Nein, Sir. Die Fahrstühle halten dort nicht. Das heißt, sie halten dort nur, wenn
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