PRIM: Netzpiraten (German Edition)
Erpresser unter Druck bei mehrmaligen Anläufen zur Übergabe immer nachlässiger werden. Können Sie sich vorstellen, dass PRIM die beiden Übergaben absichtlich haben platzen lassen?“
„Ja“, antwortete Alice ohne zu zögern, „das halte ich für denkbar. Leider kann ich über die möglichen Gründe für ein derartiges Verhalten kaum etwas sagen. Vielleicht gehen PRIM davon aus, dass die Polizei trotz ihrer anders lautenden Forderung eingeschaltet wird und dass die Ware gar nicht geliefert wird. Jedenfalls nicht bei den ersten beiden Übergaben. Hinsichtlich des Polizeieinsatzes hätten sie damit recht, den haben sie ja beim ersten Versuch aus sicherer Ferne beobachtet. Und auch beim zweiten Versuch waren wir nicht zu übersehen, selbst die Presse berichtet darüber.“
„Aber sie müssen doch wissen, dass sie umso eher gefasst werden, je mehr Übergaben sie inszenieren“, warf Joergensen ein.
„Das wissen sie bestimmt“, sagte Hoover. Er wirkte sehr nachdenklich. „Deshalb waren sie vielleicht gar nicht am Ort, weder in Washington noch in Philadelphia, wenn Miss Lormants Vermutungen richtig sind. Die Steine im Hospital kann jeder vor Schreck verstreut haben. Allerdings wäre es naiv, und damit im Widerspruch zur unterstellten Intelligenz, wenn PRIM annähmen, dass das FBI die Übergaben nicht mehr überwachen oder Verfolgung einstellen würde.“
„Das wird sich noch zeigen“, sagte Krienitz. „Immerhin haben PRIM bisher noch keine ihrer Drohungen in die Tat umgesetzt. Aber ich sehe schon, dass wir dem Präsidenten und dem Sicherheitsrat noch keinen schlüssigen Bericht zur Lage anfertigen können. Lange wird man sich damit nicht zufrieden geben.“
27
Wayne Ferrentil las die wenigen Zeilen und schaute Patrick Amber, seinen Chefredakteur, fragend an. Amber sagte nichts. Ferrentil las noch einmal.
An die Chefredaktion.
Sie erhalten in der Anlage eine mit PK 15
verschlüsselte Datei. Der Schlüssel wird Ihnen
unter bestimmten Umständen automatisch
zugesandt.
PRIM
„Wo ist die Anlage? Haben Sie sie nicht ausgedruckt?“, fragte er.
Amber räusperte sich. „Es sind mehrere Seiten, mindestens zehn. Verschlüsselter Text. Alle 256 ASCII-Zeichen schön verteilt.“
„Was heißt PK 15?“
„Wir wissen es nicht. Noch nicht. Aber es wird ein Verschlüsselungsprogramm sein.“
„Das ist mir klar, das sagt dieser PRIM ja auch. Aber welches? Haben wir es? Mailadresse? Hat PRIM eine Adresse angegeben?“
„Ja, musste er ja. Wir können und werden PRIM natürlich befragen, falls wir ihn erreichen können. Ich wollte es Ihnen nur gleich zeigen, weil ein paar Leute in der Redaktion meinten, wir sollten die Polizei einschalten. Das Programm ist uns nicht bekannt.“
„Mit der Polizei warten wir.“ Ferrentil beugte sich über seine Gegensprechanlage. „Theresa, rufen Sie Robert Talburn zu mir! Sofort, bitte!“
„In der Redaktion fragen wir uns, ob PRIM vielleicht eine Abkürzung für eine Gruppe oder eine Organisation ist. Aber bisher haben wir nichts in dieser Richtung gefunden.“
„Die Großbuchstaben sprechen für eine Abkürzung, das sehe ich auch so.“ Ferrentil blickte noch einmal auf den Ausdruck. „Und auch sonst eine merkwürdige Schreibweise. Sieht nach Ausland aus.“
Talburn kam herein, und die drei Männer setzten sich an Ferrentils Besprechungstisch. Amber schob Talburn den Ausdruck zu. Als Talburn zu Ende gelesen hatte, fragte Ferrentil ihn: „Kennst du eine Verschlüsselung PK 15, Bob?“
Nach kurzem Zögern, das den anderen wie Nachdenken erscheinen musste, erwiderte Talburn: „Nein, ich glaube nicht. Aber wenn es nicht geheim ist, kann ich es sicherlich herausfinden. Wann ist das gekommen? Als Mail, vermute ich.“
„Vor kaum einer halben Stunde. Eine Mail“, antwortete Amber.
„Ich hoffe, dass ihr die Mail nicht gelöscht habt. Da sind Hintergrundinformationen über Weg und Herkunft der Mail enthalten, die beim üblichen Gebrauch des Mailprogramms nicht angezeigt werden.“
„Nein, natürlich nicht. Ich werde die Mail an dich weiterleiten, Bob.“
„Mit der Anlage, bitte. Obwohl das sicherlich ohne Schlüssel nicht entziffert werden kann.“
„Müssen wir uns zum Entschlüsseln nicht auch das Programm besorgen, dieses PK 15?“, fragte Ferrentil.
Talburn schüttelte den Kopf. „Nicht unbedingt. PRIM könnte es zusammen mit dem Schlüssel schicken, oder uns eine Adresse geben, von der wir es
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