PRIM: Netzpiraten (German Edition)
Teilnehmern und las, dass Wheelwright als Leitender Spezialagent geführt wurde und einer Abteilung angehörte, die der Secret Service mit Sicherheitsdienst bezeichnete. Alice hatte den Verdacht, dass er den Fall nicht zum ersten Mal vorstellte, denn er griff auf eine Powerpoint-Präsentation zurück, die er offenbar laufend ergänzte. Alice hatte bereits herausgefunden, dass sie die Präsentation auch an ihrem Platz aufrufen konnte, und so schaute sie abwechselnd auf die Multimediawand und auf ihren Bildschirm. Das gab ihr Gelegenheit, einige andere im Gremium unauffällig zu beobachten.
Mit Wheelwrights Vortrag verdichtete sich Alices Bild über die Ereignisse. Drei Mal hatten sich die Erpresser gemeldet, immer über das private Mailfach der Frau des Präsidenten im Weißen Haus, und immer verschlüsselt mit ihrem öffentlichen Schlüssel. Die Adresse und der Schlüssel sollten eigentlich geheim und nur Freunden und Verwandten bekannt sein, die von Pamela Stonington ausgewählt waren. Sie hatte eine Liste mit dreiundsiebzig Namen angefertigt, die mit ihrem Adressbuch für dieses Mailfach übereinstimmte, konnte aber nicht angeben, ob sie die Adresse nicht noch weiteren Personen genannt und dabei auch das Programm und ihren öffentlichen Schlüssel mitgeschickt hatte. Der inzwischen tödlich verunglückte Walter Ingram, von der NSA in das Weiße Haus entsandt, hatte darauf gedrungen, dass sie, genauso wie der Präsident, ihre privaten Mails mit PK-15 verschlüsselte, dem bei verschiedenen US-Geheimdiensten weit verbreiteten Programm. Obwohl öffentliche Schlüssel kein Geheimnis darstellen sollten, was schon die Bezeichnung öffentlich nahe legte, waren die Schlüssel der Stoningtons oder die ihrer Freunde in keinem der über das Internet zugänglichen Schlüsselverzeichnisse zu finden.
Die Erpresser nannten sich PRIM. Ob es wirklich mehrere waren, konnte noch nicht festgestellt werden. PRIMs Absenderangaben wechselten mit jeder Mail und waren gefälscht. In zwei Fällen waren bestehende Accounts ahnungsloser Internetnutzer verwendet worden, und einmal hatte PRIM sich selbst einen Mail Account an einem College in Phoenix eingerichtet. Die Rückverfolgung der über diverse Zwischenstationen gelaufenen Mails hatte bisher immer bei irgendwelchen obskuren ausländischen Servern geendet, in Ungarn, Estland und Indonesien.
Das Mittel zur Erpressung waren sehr private Mails, die zwischen Pamela Stonington und ihrer Schwester Viola Sinclair, verheiratet und in der Nähe von Annapolis lebend, in verschlüsselter Form ausgetauscht worden waren. Pamela Stonington hatte bestätigt, dass die von PRIM übermittelten Klartexte der Mails echt waren. PRIM gaben an, weitere Mails aus diesem Austausch zu besitzen und entschlüsselt zu haben.
Die Erpressungsdrohung bestand darin, dass PRIM einzelne Mails oder den gesamten Briefwechsel der Presse zuspielen würden. Außerdem behaupteten sie, viele Geheimdokumente entschlüsselt zu haben, bisher allerdings ohne jeden Beweis. Die Forderung vom PRIM an die Frau des Präsidenten bestand in der Übergabe von Brillanten im Wert von einhundert Millionen Dollar. Von bescheidenen zirka hundert Millionen Dollar , wie Wheelwright sich ausdrückte.
PRIM behaupteten in allen drei Mitteilungen, dass sie die privaten Schlüssel zur Entschlüsselung der Mails durch eine Zerlegung der im öffentlichen Schlüssel enthaltenen Zahl in ihre Primfaktoren erhalten hätten, und dass sie Pamela Stonington den Weg zu dieser Zerlegung nach Übergabe der Brillanten beschreiben würden. Der Name PRIM, den die Erpresser sich gegeben hatten, sollte möglicherweise auf diese angebliche Fähigkeit der Erpresser zur Faktorisierung großer Zahlen, der Zerlegung in ihre Primfaktoren, hinweisen. Es könnte aber auch eine Abkürzung sein, deren Sinn Beagle bisher nicht erkannt hatte.
„Danke, Mat“, sagte McFarlane. Er wollte fortfahren, sah dann aber Alices erhobene Hand. „Miss Lormant, gedulden Sie sich bitte einen Moment! Es gibt neue Entwicklungen, über die ich jetzt gleich berichten werde. Anschließend werden wir ein Resümee über unsere bisherige Arbeit und die Ergebnisse daraus ziehen, und dabei sicherlich auch Fragen und Diskussionsbeiträge unterbringen.“
Alice sah, dass Possling Texte in ein Dokument schrieb. Merkwürdig, wie jemand mit so dicken Fingern derart schnell über die Tastatur fliegen konnte. Sie selbst hatte es nie über durchschnittliche Schreibgeschwindigkeit gebracht und bevorzugte
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