PRIM: Netzpiraten (German Edition)
Multimediawand gab es zwei Türen, die nicht bezeichnet, aber mit zur Zeit ausgeschalteten Leuchtbeschriftungen über den Zargen versehen waren. Alice vermutete einen Fahrstuhl hinter der einen und einen Flur oder eine Treppe hinter der anderen.
Die linke Längswand war im oberen Teil weiß. Alices Blick zur Decke verriet ihr, dass hier Projektionen mit Beamern gezeigt werden konnten. Im gesamten unteren Teil der Wand konnten Papiere angeheftet werden, wie die vielen bunten und willkürlich verteilten Magnete zeigten. Eine Karte Nordamerikas hing etwas einsam als einziges Blatt an der Wand. Die roten Magnete an verschiedenen Orten in der Karte hatten sicherlich eine Bedeutung, die sich Alice aber nicht unmittelbar erschloss.
Es waren nur fünf Personen im Raum, als McFarlane sie hineinführte, die das große Platzangebot in der Weise nutzten, dass sie nur jeden dritten oder vierten Sessel besetzt hatten. Sie standen auf, aber McFarlane deutete sofort an, dass sie sich wieder setzen sollten.
„Noch einmal guten Morgen. Wir können gleich anfangen, aber lassen Sie mich Ihnen zwei neue Mitglieder des Beagle-Gremiums vorstellen. Dies ist Agentin Alice Lormant, NSA. Miss Lormant ist eine ausgezeichnete Spezialistin auf dem komplexen Feld der Internetsicherheit oder überhaupt der Netzesicherheit. Ihr Vorgesetzter hat mir gesagt, dass sie den Begriff Internetunsicherheit vorzieht. Außerdem hat er mir gesagt, dass sie in jedes Netz, in jeden Server und jeden Computer eindringen kann, es aber nie zugeben würde.“ Einige lachten, und alle blickten sie interessiert an, während McFarlane fortfuhr: „Sie beherrscht die gängigen und wahrscheinlich auch ein paar eher exotische Programmiersprachen, und sie hat sich intensiv mit asymmetrischen Verschlüsselungsverfahren und deren Sicherheit beschäftigt. Ob wir darauf allerdings zurückkommen müssen, steht ja wohl noch in den Sternen.“
Alice konnte mit McFarlanes letzter Bemerkung nichts anfangen. Der wandte sich jetzt Hoover zu. „Und hier ist Leitender Inspektor Paul B. Hoover, FBI.“
Bei dem unmittelbar darauf entstehende Getuschel auf der linken Seite des Tischs tippte Hoover McFarlane von sehr weit oben auf die Schulter und flüsterte ihm so zu, dass alle es hören konnten: „Sagen Sie ihnen, dass die Antwort nein lautet!“
McFarlane schmunzelte, während einige im Raum laut lachten. Die Stimmung ist gut, dachte Alice. Und sie musste sich von dem Bild ihres drögen Geschichtslehrers lösen, wenn sie es mit McFarlane zu tun hatte.
„Mr. Hoover hat sich nicht für einen verdeckten Einsatz in Miami Beach verkleidet. Er ist direkt aus dem Urlaub hergekommen, und später wird er, von wenigen unübersehbaren Kleinigkeiten abgesehen, aussehen wie du und ich.“
Neues Lachen.
„Sein Spezialgebiet ist Erpressung. Wenn ich es richtig verstanden habe, gibt es im Lande niemanden, der auch nur annähernd viel Erfahrung mit Erpressungen und Erpressern hat. Seien Sie willkommen, Sie beide, in Beagle!“
Bevor McFarlane die eigentliche Sitzung eröffnete, kam Officer Nurdock aus dem offenen Seitenraum, wo er sich bis dahin ganz unbemerkt hinter dem Schaltpult aufgehalten hatte, und gab McFarlane ein gefaltetes Blatt Papier. Nurdock trug Uniform und sah mit seinem Schnurrbart und dichtem Haarschopf aus wie Brad Pitt in Inglorious Basterds. Bisher war sie der Vorstellung unterlegen, dass Secret-Service-Leute keine Bärte tragen dürften.
Während McFarlane den Bogen aufklappte und las, nahm Alice ihr Namensschild und wählte sich den Platz zwischen dem Linguisten Jerome Possling und Neil Kaestner aus. Obwohl sie keinen von beiden kannte, sprach ja nichts gegen eine NSA-Untergruppe in Beagle, die auch räumlich engen Kontakt hielt. Hoover wollte sich etwa in der Mitte an der anderen Seite des Tischs einrichten, wurde aber von McFarlane näher an das Ende des Tisches zurückgewunken, wobei er mit Handbewegungen andeutete, dass Hoover sonst anderen den Blick auf die Bildwand verdecken würde.
Sie hatte Kaestner und Possling kaum begrüßt und die Hand auf die Erkennungsfläche gelegt, als McFarlane Matthew Wheelwright aufrief: „Mat, sei so freundlich und gib uns allen, aber besonders unseren neuen Beagle-Mitgliedern, einen Überblick! Drei Minuten.“
Wheelwright sah aus wie ein durchtrainierter Langstreckenläufer. Er war etwa fünfundvierzig Jahre alt. Seine Stimme war für den leichtgewichtigen Körper überraschend tief. Alice schielte auf das Blatt mit den
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