PRIM: Netzpiraten (German Edition)
zwischen Ober- und Unterseite des Brillanten, auf den die Gravur aufgebracht wird, wird dadurch ganz wenig breiter, und der Stein verliert ein wenig Gewicht, wenn auch nur mit unseren Diamantwaagen feststellbar. Aber warum sollte jemand das wollen?“
Während seiner Antwort hatte Arriver eine Lupe und ein kleines, schwarzes Schmuckkästchen aus seiner Aktentasche geholt. Er hatte das Kästchen geöffnet und den darin mit der facettenreichen Seite nach oben auf dem Seidenstoffkissen liegenden Brillanten herausgenommen, ihn für alle sichtbar gegen das Licht gehalten, so dass man das Aufblitzen der gebrochenen und gespiegelten Strahlen sehen konnte, und ihn dann auf der Seite liegend wieder auf das Kissen gelegt.
„Ich habe Ihnen hier einen Brillanten, einen weißen Zweikaräter, mitgebracht. Er ist zertifiziert und mit der entsprechenden Lasergravur versehen.“ Arriver zeigte, wie man mit der Lupe die winzige Gravur auf dem schmalen Rand des Brillanten, der Rundiste, erkennen und lesen konnte. Er legte dann das zugehörige, von dem GIA, dem Amerikanischen Gemologischen Institut in New York, ausgestellte Zertifikat dazu und bot McFarlane an, beides herumgehen zu lassen.
„Ich komme nun zu Ihrer anderen Frage“, fuhr Arriver fort und sah Alice dabei an. „Die genauen Motive der Drogenhändler kenne ich nicht. Vielleicht ist es schwieriger, Geld zu waschen als Brillanten zu verkaufen. Hinsichtlich des Geldwaschens bin ich kein Fachmann, aber vermutlich gibt es auch dabei Verluste, die denen beim Wiederverkauf von Brillanten entsprechen. Und wenn man sich ein wenig Zeit lassen muss, bis man illegal erworbenes Gut zu Geld machen kann, dann sind Brillanten gar keine schlechte Wahl, denn sie gewinnen mit der Zeit an Wert und weisen keine Verluste aus Inflation auf.“
„Vielleicht wollen die Drogenbosse auch nur ihre Frauen und Freundinnen mit Diamanten beglücken und sich den Weg zum Juwelier ersparen“, warf Hoover scherzend ein. „Aber es geht im vorliegenden Fall um beträchtliche Werte, Mr. Arriver, so dass das Geschenkemotiv ausgeschlossen werden kann. Deshalb frage ich Sie: Wo kann man lasergravierte und zertifizierte Brillanten im Wert von - sagen wir einmal - einhundert Millionen Dollar kaufen, ohne dass es erhebliche Aufmerksamkeit erzeugt oder gar den Markt zusammenbrechen lässt?“
Arriver stütze sich erschrocken mit beiden Armen auf dem Tisch ab. Mit einer derartigen Größe hatte er offensichtlich nicht gerechnet. Er benötigte einige Sekunden, bevor er antwortete.
„Sie sprechen von etwa sechs- bis achttausend Karat je nach Qualität. In den mir genannten Einzelgrößen sind das geschätzte tausende Einzelstücke. Man kann sie bei Händlern kaufen, vorrangig bei den großen in Amerika, Europa, Tel Aviv und Ostasien. Zum Beispiel bei Jacob & Klein, aber Sie müssten uns drei bis vier Wochen Zeit geben, um sie zu beschaffen, hauptsächlich über unsere Niederlassung in Antwerpen. Auch wenn Sie mehrere Großhändler einbeziehen, wird es wohl mindestens drei Wochen dauern, bis alle Brillanten ausgehändigt werden können. Zertifizierungen und Gravuren benötigen Zeit. Nur etwa die Hälfte der fertig geschliffenen und zum Verkauf stehenden Diamanten ist zertifiziert. Wir überlassen es dem Kunden, ob er einen zertifizierten Brillanten kaufen möchte oder ob er sich auf unsere Versicherung über die Echtheit verlässt und hundert bis zweihundert Dollar Zertifizierungskosten spart.“
Obwohl noch nicht alle den Brillanten durch die Lupe betrachtet hatten, gehörte Arriver jetzt die volle Aufmerksamkeit der Gruppe. „Die Ordergröße ist hoch, aber der weltweite Markt ist mit Jahresumsätzen von über fünfzig Milliarden Dollar unvergleichlich größer. Ein Zusammenbruch ist daher völlig auszuschließen, der Kauf würde den Markt kaum beeinflussen. Aber Aufmerksamkeit wird der Kauf bei diesem Umfang schon finden, allerdings nur in den Fachkreisen der Diamantenbörsen und Großhändler. Es sollte Ihnen deshalb möglich sein, von dem Kauf während der Abwicklung zu erfahren und trotz der allgemein bekannten Diskretion, die wir in unserer Branche wahren, die Käufer zu identifizieren.“
McFarlane merkte an, dass die Rauschgifthändler die Bezahlung mit Brillanten möglicherweise bereits seit Monaten abgesprochen hätten und seit einiger Zeit Steine kaufen könnten. Trotzdem sei man dankbar für Arrivers Hinweise. Er zögerte etwas, als ob er sich nicht sicher war, wie er seine Frage formulieren
Weitere Kostenlose Bücher