PRIM: Netzpiraten (German Edition)
durch das Ausprobieren jeder denkbaren Zeichenkombination die richtige Kombination gesucht wurde. Allerdings war das Mailprogramm der Stoningtons das gleiche, das auch von den Diensten benutzt wurde. Und das war - gerade auch im Hinblick auf Brute-Force-Angriffe mit allen in den nächsten Jahren denkbaren Kapazitäten - so ausgelegt, dass man für einen erfolgreichen Angriff ein paar Millionen Jahre benötigen würde. Nach Bissels Programmerweiterung waren das nun mindestens mehrere Milliarden Jahre. Hier mussten ein paar Leute im Weißen Haus sehr nervös sein. Und private Mails konnten eigentlich kaum derart wichtig sein, diese übertriebene Sicherheit zu rechtfertigen. Ohnehin hatten PRIM bisher nur Mails für ihren Erpressungsversuch verwendet, die über den alten Account der First Lady gelaufen waren.
Alice ging nur beiläufig auf die Sache ein. „Wahrscheinlich hat sie sich nach dem Einbruch in ihren Account für die Erhöhung der Sicherheit interessiert und ein paar Leute befragt. Hat der Secret Service das Mailprogramm, also das vor der neuen Aufspielung durch Sie, auch untersucht?“
„Das weiß ich nicht. Es ist sicherlich anzunehmen. Aber ich sagte Ihnen ja schon, das Programm war mit absoluter Sicherheit in Ordnung. Es hatte nämlich denselben Hashwert, dieselbe Signatur, wie die, die wir bei der NSA dafür hinterlegt haben.“
„Ich wüsste zu gerne, ob Walter Ingram außer Mrs. Stonington noch anderen Personen das Mailprogramm eingerichtet hat“, sagte Alice, ohne es als direkte Frage an Bissel erscheinen zu lassen. Nach einer Weile begann Bissel zögerlich Stellung zu nehmen.
„Eigentlich kann jeder das Programm mit Hilfe unserer Anleitung selbst installieren, das wissen Sie ja besser als ich. Das haben sicherlich die meisten auch getan. Aber Mrs. Stonington hat einmal ein paar Bemerkungen gemacht, wonach besonders sie selbst und ihre Schwester ganz sicher hinsichtlich der Zuverlässigkeit der Verschlüsselung sein müssten, wo sie doch so direkt mit dem mächtigsten Mann der Welt verbunden wären. Deshalb habe Walter das Programm im Beisein der beiden auf Mrs. Sinclairs Notebook eingerichtet, und dann hätten sie sich probeweise ein paar Mails gegenseitig über den Tisch hinweg zugesandt.“
„Hat Mrs. Stonington das Programm mit den zusätzlichen Runden auch ihrer Schwester zur Einrichtung gegeben?“
„Ja, nicht nur ihr. Sie hat mich gefragt, ob sie es mailen darf. Ich habe ihr gesagt, dass das Programm bei allen, die sich dafür interessieren, ohnehin bekannt ist, und dass keine Gefahr beim Mailen zu sehen wäre. Habe ihr erklärt, dass die Sicherheit mit dem Verfahren und den Schlüsseln zusammenhängt, nicht mit dem Programm. Und dass die Quellcodes solcher Programme absichtlich bekannt gegeben werden, damit möglichst viele Experten es auf Schwachstellen überprüfen könnten.“
„Aber die öffentlichen Schlüssel derer, mit denen Mrs. Stonington über dieses Programm kommuniziert, sind weiterhin nicht zugänglich, oder? Haben Sie eine Liste?“
„Nein, wo denken Sie hin. Mit Nein meine ich, dass ich nicht weiß, wem sie das Programm weitergegeben hat, und ich habe demgemäß auch keine öffentlichen Schlüssel. Aber mit dem Zugang haben Sie recht. Die Schlüssel können von keinem der dafür eingerichteten Schlüsselserver abgerufen werden. Die Stoningtons würden sonst ja auch mit Mails überschüttet werden. Wie bei den im Internet veröffentlichten Mailadressen. Da arbeiten ganze Stäbe daran, diese Mails zu sichten und zu beantworten.“
„Könnten Sie sich vorstellen, dass Charles Moore oder Belinda Rust in das private Netzwerk der Stoningtons eingeschlossen sind?“
„Sicherlich. Ziemlich sicher sogar. Aber beide sind doch ohnehin ständig mit Mrs. Stonington zusammen. Untereinander benötigen die keine Mails.“
Alice überlegte, ob sie die Schwärzungen in den Mails erwähnen konnte. Sie riskierte es, selbst auf die Gefahr hin, dass Bissel bisher nichts davon wusste: „Meinen Sie, dass Pamela Stonington allein die Schwärzungen in den Mails vornimmt?“
„Ich weiß es nicht, aber das ist doch sehr schwer vorstellbar, oder? Ich vermute, dass der Präsident dabei ist, vielleicht auch die Rust und Moore. Moore kennt sich sehr gut mit Computern, Betriebssystemen und Software aus.“ Bissel blieb stehen und wandte sich Alice zu. „Ms. Lormant, jetzt sage ich Ihnen einmal etwas. Die Information über die Schwärzungen habe ich von Tessenberg. Ich täusche mich
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