PRIM: Netzpiraten (German Edition)
sicherlich nicht, wenn ich annehme, dass auch Sie an Tessenberg und die Graue Bande berichten. Nein, sagen Sie nichts! Ich möchte Ihnen nur zu verstehen geben, dass ich alles, was ich Ihnen gerade gesagt habe, bereits an Tessenberg berichtet habe. Und ich vertraue Ihnen, dass Sie mich beschützen und nicht das Gleiche noch einmal an ihn berichten oder etwas, was Sie nur von mir erfahren haben können.“
Bissel wusste also von den Mails, hatte möglicherweise sogar Kenntnisse über deren Inhalte. Und sie war eine gute Beobachterin. Offensichtlich konnte sie leicht Vertrauen gewinnen und andere aushorchen. Sie war einfach auch der Typ der Lieblingstante, der man alles erzählen konnte.
„Keine Sorge, Mrs. Bissel. Es bleibt unter uns. Wahrscheinlich sind die ganze Aufregung und der Aktionismus ohnehin übertrieben. Haben Sie die Erhöhung der Rundenzahl auch an Tessenberg berichtet?“
„Ja. Es war ein Konflikt, denn ich hatte Mrs. Stonington Verschwiegenheit zugesichert. Aber es ist so unbedeutend, ob es eine halbe Sekunde dauert oder schneller geht.“
* * *
Das Zusammentreffen mit Vince Arriver, dem Experten für Diamanten und Geschäftsführer von Jacob & Klein, dem größten Diamantenhandelshaus in den Vereinigten Staaten, hatte der Secret Service mit dem Einverständnis des FBI in einen Konferenzraum in deren nur wenige hundert Meter vom Weißen Haus entferntes Hauptquartier verlegt. Schließlich sollte kein Außenstehender etwas über PRIM und Beagle erfahren, und ein Besuch im Weißen Haus oder gar in der Arena hätte sicherlich Argwohn erweckt.
Bei dem guten Wetter liefen Alice, Kaestner und Possling den kurzen Weg zum J. Edgar Hoover Building des FBI zu Fuß. Alice nutzte die Gelegenheit für ein ungestörtes Gespräch mit den beiden Kollegen, um sich diskret nach ihren Berichtspflichten und ihrer Meinung über Beagle zu erkundigen. Kaestner wollte zunächst nichts sagen. Aber als Possner seine Verwunderung darüber äußerte, dass er direkt an Tessenberg berichten musste und Alice bemerkte, dass dasselbe auch für sie galt, brach es aus ihm heraus: „Ich werde verrückt! Größte Verschwiegenheit sollte ich versprechen. Und immer nur an ihn und Edwards berichten. Und zwar nicht per verschlüsselter Mail, sondern über einen umständlichen, verborgenen Weg. Da kommt man wirklich ins Grübeln!“
Sie gingen eine Weile schweigend weiter. Jeder schien auf die anderen zu warten. Alice wagte den Sprung: „Ich verstehe auch nicht, was an PRIM so bedeutsam sein soll, dass es diesen Aufwand mit Beagle und diese Geheimhaltung rechtfertigt. Vielleicht erfahren wir es ja noch. Ich schlage vor, unsere Berichte an Tessenberg und die Graue Bande abzustimmen. Natürlich unauffällig. Warum sollten wir ihm die Möglichkeit geben, uns gegeneinander auszuspielen?“
Die beiden Männer stimmten ihr zu. Kaestner erwähnte sein Versprechen gegenüber Tessenberg, aber Possner beruhigte ihn indem er fragte, ob er denn Tessenberg ausdrücklich zugesagt hätte, die Berichte ausschließlich ihm zu geben. Schließlich würde er doch die gleichen Inhalte auch mit seinem Team in der NSA besprechen, oder nicht?
„Ich wurde sogar neu auf Beagle vereidigt“, sagte Alice. „Da ging es aber vorwiegend um die Geheimhaltung gegenüber den anderen in Beagle vertretenen Diensten, eigentlich gar nicht gegenüber den eigenen Leuten. Was ich mit meiner Gruppe in Crypto-City hinsichtlich PRIM unternehme, muss und werde ich auch gegenüber Ihnen beiden geheim halten, jedenfalls so weit, wie ich es nicht in Beagle ohnehin zur Sprache bringe. Mir geht es nur darum, dass wir in den Berichten keine völlig unterschiedliche Darstellungen der wesentlichen Geschehnisse abliefern und dass wir nicht zu unterschiedliche Auffassungen darüber zeigen, was Tessenberg mir gegenüber mit etwas Neues bei Beagle bezeichnet hat.“
Possner und Kaestner murmelten Zustimmung. Sie fragten nach der Größe von Alices Team.
„Im Kern dreizehn Leute“, sagte Alice. „Und wie viele haben Sie?“
„Wir sind nur neun im engeren Kreis“, antwortete Possling, „aber im Bedarfsfall, falls zum Beispiel Fremdsprachen ins Spiel kommen, kann ich mit der Zuarbeit von mehr als zweitausend Experten rechnen. Deren Zahl hat sich nach dem Elften September geradezu verdoppelt.“
Kaestner lachte. „Dreizehn und neun. Mein Gott! Wir sind nicht überschaubar. Ich habe ungefähr vierzig engere Mitarbeiter zuzüglich Hilfspersonal. Und im Hintergrund
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