Prime Time
rauschenden Monitoren.
In das Gesicht des Mannes kam plötzlich Leben, und es hellte sich auf.
»Wollen Sie sich ein wenig umsehen?«
Sie nickte, etwas peinlich berührt von ihrer morbiden Neugier. Wo hat sie gelegen? Habt ihr die Reste schon weggewischt?
»Hier ist der zentrale Schaltkasten«, sagte der Mann und zeigte eifrig in einen Raum zu seiner Rechten.
Annika ging an einem Fenster vorbei, an dessen einer Seite Gardinen hingen, während hinter der anderen eine große Elektrikzentrale zu sehen war. Sie schaute in den kleinen Raum und nickte, als würde sie irgendetwas verstehen.
»Und was macht man hier?«
Gunnar Antonsson fuhr mit der Hand über Schirme, Regler, Tastaturen.
»Das sind die CCUs«, sagte er. »Die Camera Control Units, mit denen die Bildtechniker arbeiten. Die Kameras bedienen, Blenden einstellen und all das.«
Er machte kehrt und ging weiter.
»Der Technikgang«, sagte er und öffnete eine Tür nach rechts.
Annika steckte den Kopf hinein, Schnüre, eine Million Kabel. »Alles in neunzehn Zoll«, sagte er. »Das ist Standard.«
Nachdem Annika rausgekommen war, schloss er die Tür.
Ihr Blick blieb an der gegenüberliegenden Wand hängen, die mit Karten und Schaltplänen bedeckt war.
»Der VB-Raum«, sagte der Mann vom nächsten Zimmer her. »Oder eigentlich heißt das der Aufnahmebereich. Hier stehen die Betas, die Digis, die Videorekorder für die Sicherungen und unsere Profiler.«
Annika riss sich von den dünnen roten Verbindungsstrichen los und eilte hinter ihm her.
»Als wir den Bus vor zwei Jahren bauen ließen, waren Aufnahmen auf Festplatte noch reine Zukunftsmusik«, fuhr Gunnar Antonsson fort. »Inzwischen ist es Wirklichkeit. Vor ein paar Monaten mussten wir alles umbauen und hier unten überall Profiler einbauen.«
Er zeigte auf den Raum unter dem engen Schneidetisch, beugte sich herunter und hob ein loses Kabel auf. Annika räusperte sich.
»Also, Entschuldigung«, sagte sie, »aber was bedeutet das?«
Der Mann, der schon auf dem Weg zur nächsten Abteilung war, blieb erstaunt stehen.
»Der Schneidetisch«, sagte er. »Hier kann man die Sendung zusammenschneiden.«
»Und wie?«, fragte Annika. »Auf Video oder auf Computer?«
»Sie haben noch nie beim Fernsehen gearbeitet, oder?«, fragte der Mann und zwinkerte ihr zu.
Annika versuchte zu lächeln.
»Nein, ich halte mich an Buchstaben. Bei der Zeitung ist alles ein wenig einfacher.«
Er blieb stehen, sah sie nachdenklich an und rollte dann das Kabel zu einem harten Ring zusammen.
»Warum habt ihr alle so viel über Michelle geschrieben?«
Annika schoss das Blut in die Wangen, sie bemühte sich, ihn fest anzusehen.
»Sie war eine sehr interessante öffentliche Person. Sie war kontrovers und glamourös zugleich, in einer sehr ungewöhnlichen Kombination. Da ist es klar, dass die Zeitungen über sie schreiben.«
Der Mann sah sie immer noch fragend an, er ließ das Kabel sinken.
»Aber warum war sie so viel wichtiger als alle anderen?«
Annika hustete ein wenig und sah zu Boden.
»Michelle hat sich eben gut verkauft«, sagte sie, »so einfach ist das. Sie war nicht wichtiger, aber sie funktionierte kommerziell. So wie sie auch für TV-Plus funktionierte. Sie war eine Frau, die niemanden kalt ließ, die aus der Menge hervorstach. Man sah sie gern an, man las gern über sie.«
Gunnar Antonsson öffnete einen Metallschrank und legte das Kabel hinein.
»Man nimmt immer in Sendequalität auf«, sagte er und ging weiter, »also immer auf Beta oder inzwischen auf Digibeta. Das ist eine Art Videoband in anderem Format mit einer sehr viel höheren Qualität. Bei dieser Produktion haben wir vier verschiedene Apparate gleichzeitig laufen lassen, für den Fall, dass etwas schief gehen würde, ein kaputtes Band oder so. Mit Netz und doppeltem Boden, sozusagen.
Allerdings keine Profiler, keine Speicherung auf Festplatte.
Gewöhnliches Video, VHS also, wird nur noch für die Referenzbänder benutzt.«
Annika folgte ihm und betrachtete seinen Hinterkopf.
Schütteres graues Haar. Korrekt geschnitten.
»Was bedeutet Referenzband?«
Der Mann hob die Augenbrauen.
»Eins geht an den Moderator. Michelle wollte immer sehen, wie sie wirkte. Die Produzentin bekommt eine Kopie und die Recherche auch. Wenn man ein Referenzband hat, muss man nicht alles von Beta überspielen. Derjenige, der das Programm später schneidet, kann die Timecodes direkt durchgehen.«
Annika betrachtete die Wand mit den Bandgeräten, Monitoren und
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