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Prime Time

Prime Time

Titel: Prime Time Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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aus seiner Herde. Aber Gott sah nur auf Abels Opfer, das von Kain kümmerte ihn nicht.«
    »Das heißt, pädagogisch gesehen war der Herr eine Niete«, bemerkte Annika.
    »Genau. Und laut Bibel wurde Kain richtig sauer, dass er nicht gesehen wurde, und bekam einen finsteren Blick. Gott, der alte Sadist, fragt ihn dann auch noch: Warum bist du so wütend, und warum ist dein Blick so finster? Wenn du Gutes im Sinn hast, dann kannst du freimütig aufsehen, aber wenn du nichts Gutes im Sinn hast, dann wartet die Sünde schon hinter der nächsten Ecke. Du ziehst die Sünde an, solltest aber dagegen ankämpfen.«
    »So ein Arschloch«, sagte Annika. »Erst behauptet er, alle wären nach seinem Abbild geschaffen, und dann gibt er uns völlig unterschiedliche Voraussetzungen, und am Ende hält er uns dann noch eine Moralpredigt, wenn wir auf seine Ungerechtigkeit reagieren.«
    »Abel wurde gesehen und bewundert«, sagte Anne, »während Kain nichts anderes tun konnte, als unbemerkt in den Kulissen zu stehen und gute Miene zum bösen Spiel zu machen.«
    »Abel kriegte allen Ruhm, aber Kain sollte fürs Grobe herhalten und durfte noch nicht mal protestieren«, stellte Annika fest.
    »Na, den Rest kennst du ja«, sagte Anne Snapphane und ging zu einem Sack, der an der Seite mit den CDs stand.
    »Kain hat Abel in die Wüste gelockt und ihn dort erschlagen, war’s nicht so?«
    »So ungefähr«, sagte Anne von tief unten in dem Sack.
    »Kannst du mal dieses Band nehmen? Danke. Aber Gott hat alles gesehen, offenbar hatte er immer eine Überwachungskamera am Laufen, und er wusste, was Kain getan hatte.«
    »Welche Strafe bekam er?«
    »Er verlor seinen Job und durfte das Feld nicht länger bestellen. Er war von da an ohne Sicherheit und immer auf der Flucht.«
    Anne sank wieder auf den Stuhl.
    »Musst du das alles durchsehen?«, fragte Annika.
    »Nicht durchsehen«, erwiderte Anne, »aber ich muss rausfinden, was auf den Bändern ist, muss sie sortieren und kontrollieren, damit keine technischen Fehler drauf sind.«
    Die Bilder verschwanden, etwa zehn Sekunden lang war der Bildschirm dunkel, dann sprang das Band heraus. Anne seufzte, wechselte die Bänder mit derselben blitzschnellen Präzision wie zuvor, markierte und platzierte.
    »Gott kümmerte sich nicht um den Erfolg von Kains Arbeit«, meinte Annika langsam.
    »Lämmchen sind natürlich auch viel niedlicher als Weizenkörner«, sagte Anne bedächtig.
    »Kain hat sich wie wild auf dem Feld verausgabt, hat gepflügt und gesät, Unkraut gejätet und das Feld gepflegt«, sagte Annika und sah das steinige Feld geradezu vor sich.
    »Und Abel lag die ganze Zeit mit einem Grashalm im Mund da, während sich die Schafe begatteten und Junge kriegten.
    Und trotzdem war es die Arbeit des kleinen Bruders, die gesehen wurde. Damit konnte Kain nicht umgehen.«
    »Abel war auf Gottes Bildschirm zu sehen, Kain jedoch nicht«, murmelte Anne.
    »Absolut unglaublich«, sagte Annika noch einmal, »was für eine Kraft das hat. Kommst du mit was essen?«
    Anne zog eine Grimasse.
    »Nein, aber vielleicht können wir einen Kaffee trinken.
    Setz mal neuen auf, dann komme ich, ich muss nur noch …«
    Annika schob sich aus dem Zimmer und atmete die bessere Luft im Flur mit gierigen Atemzügen ein. Sie ging zum Pausenraum und setzte die Maschine in Gang.
    Der Pausenraum war eigentlich nur eine mit Glaswänden abgeteilte Ecke mitten in dem alten Fabrikgebäude, das jetzt die Redaktionsräume von Zero Television beherbergte. An der einen Wand die weiß laminierte Einbauküche, Herd, Kühlschrank, Spüle mit Kaffeemaschine. Der muffige Geruch von Fett ließ darauf schließen, dass die Abzugshaube nicht sonderlich gut funktionierte. Auf der anderen Seite der Glasscheibe waren Schreibtische, Computer, Telefone und ein paar Sofas. Die Tische standen enger als beim
Abendblatt,
die Frauen waren jünger und hübscher. Meist saßen sie da und versuchten Leute zu überreden, als Gäste in die verschiedenen Produktionen des Senders zu kommen. Es war ein endloses Telefonieren, Locken und Werben, um die prestigeträchtigen Personen dazu zu bewegen, auf genau diesem Sofa zu debattieren, sich zu genau dieser Kamera herabzubeugen und ihre neueste Scheibe in genau dieser Sendung dem Markt vorzustellen, am liebsten exklusiv. Einer der Moderatoren des Senders, der heimliche König der Talkshows, nahm nur Gäste, die exklusiv kamen, das wusste Annika. Die VIPs durften die ganze Saison lang keine anderen Fernsehsendungen

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