Prime Time
und zündete sich sofort eine neue an. »Ein ganz beschissenes. Mariana war vor Michelle hier und konnte nie verwinden, dass sie eine solche Position bekommen hat.«
»Dann war Mariana also neidisch?«
Die Produzentin holte tief Luft und sah an die schmutzige Decke des Zimmers.
»Sie war eher missgünstig«, sagte sie langsam und nickte zustimmend zu ihren eigenen Worten. »Mariana bestand darauf, dass Probeaufnahmen von ihr gemacht wurden, stellte aber selbst fest, dass das nichts für sie war. Das war eigentlich kein Trauma für sie. Sie wandte sich nur dagegen, dass Michelle so viel Einfluss auf die Sendungen hatte. Als Moderatorin konnte Michelle natürlich das Manuskript ändern oder den Produzenten bitten, die Planung umzuwerfen. Mariana fand jedoch, sie habe nicht das Wissen und die Erfahrung, um mit dieser Macht umzugehen.«
»Stimmte das?«
Karin inhalierte tief das Nikotin, so dass die Zigarette aufglühte.
»Nein«, sagte sie leise. »Ganz und gar nicht. Michelle war, was Timing und Effekte anging, ein Naturtalent. Mariana hingegen versteht sich überhaupt nicht darauf, hat keinerlei Gefühl dafür.«
Annika versuchte, etwas Rauch wegzufächeln.
»Und wie steht es mit Stefan Axelsson?«
Die Produzentin schielte zu Annika hinüber.
»Ich weiß nicht viel über ihn, er ist schließlich freier Mitarbeiter.«
»Aber in den vergangenen vier Jahren hat er doch vor allem für Zero gearbeitet, oder?«
Karin zuckte mit den Schultern, und Annika ließ das Thema fallen.
»Und Sebastian Follin?«
Karin Bellhorn sank in einen Lehnstuhl und stützte das Kinn in die Hand.
»Sebastian arbeitete als Berater für das Straßenbauamt in Växjö, bevor er es zu seiner Lebensaufgabe erklärte, Michelle Carlsson berühmt zu machen. Er wollte nichts anderes vom Leben, wenn er das schaffte, war er zufrieden.
Für Michelle wurde er natürlich zu einer grotesken Belastung. Sie lief die ganze Zeit mit unausgesprochenen Schuldgefühlen Sebastian gegenüber herum. Wie viel Geld er auch bekam, es reichte nie, und er wollte noch mehr. Er wollte sie haben, wollte neben ihr im Rampenlicht stehen.
Sebastian betrachtete sich nicht als Manager, sondern als eine Verlängerung von Michelle, als Teil von ihr.«
»War er vielleicht ein wenig verrückt?«, fragte Annika.
»Ganz und gar nicht. Das meine ich ja gerade. Bekannte Personen können diesen Effekt auf die Menschen in ihrer Umgebung haben, vor allem wenn sie sich noch aus der Zeit kennen, bevor sie berühmt wurden. Wenn eine Gruppe Menschen gemeinsam ein Projekt beginnt, kommt es immer zu Konflikten, wenn einer von ihnen die kritische Masse erreicht.«
Annika blinzelte verwirrt.
»Die kritische Masse?«
Die Produzentin lächelte wieder und balancierte dabei die Zigarette vorsichtig zwischen den Lippen.
»Der öffentliche Durchbruch«, sagte sie, »das Wiedererkennen, der entscheidende Schritt zum Erfolg. Die besten Beispiele dafür findet man in der Popbranche, bei den Garagenbands, die sich jahrelang abschuften und plötzlich Erfolg haben. Dann wird der Frontmann zum Star, und die Band bricht oft aufgrund der Mechanismen der Berühmtheit auseinander.«
Annika lächelte zurück.
»Je bekannter, desto mächtiger, desto größer der Raum.«
Karin nickte.
»Die ungleiche Verteilung«, sagte sie.
»Welche Künstler hat er denn noch vertreten?«
Die Produzentin nahm einen langen Zug und wartete schweigend, bis sich das Nikotin in ihrem Körper ausgebreitet hatte. »Keine«, sagte sie über den austretenden Rauch hinweg. »Am Anfang hat er so getan, als ob, aber damit hat er recht schnell aufgehört. Tja, was soll ich sagen?
Er hatte einfach keine Lust, sich zu entwickeln und seine Firma weiterzubringen. Er wollte einfach nur glänzen.«
Annika wurde ein wenig rot und wechselte das Thema.
»Was ist an dem letzten Abend eigentlich passiert?«, fragte sie. »Warum ist er oben im Stall so ausgeflippt?«
In Karin Bellhorns Augen funkelte es, sie drückte die zweite Zigarette aus und erhob sich.
»Was wissen Sie davon?«
Annika zögerte kurz.
»Ich habe das Chaos gesehen«, sagte sie. »War das wegen Michelle und John Essex?«
Die Frau schrak zusammen, die Farbe wich ihr aus dem Gesicht, und sie musste sich an der Wand abstützen.
»Was?«, fragte sie. »Was?«
Annika trat erschrocken einen Schritt näher.
»Was ist mit Ihnen, brauchen Sie Hilfe? Soll ich jemanden rufen?«
Die Produzentin starrte Annika eine Weile an, schloss dann die Augen und bekam langsam
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