Prime Time
professionell durchgeführt wird.«
Der Mann sah auf seine Armbanduhr.
»Ehrlich gesagt verstehe ich überhaupt nicht, warum meine Assistentin darauf bestand, dass ich zu diesem Treffen komme«, sagte er und wollte erneut aufstehen.
Berit zwang sich, sitzen zu bleiben und ganz ruhig auszusehen. »Sie hat einfach die Notwendigkeit erkannt, die Konsequenzen des Materials, über das die Zeitung verfügt, zu besprechen.«
Der Tourneeleiter hielt in seiner Bewegung inne, sein Hintern schwebte ein paar Zentimeter über dem Sofaleder.
Zum ersten Mal sah er Berit richtig an und realisierte offensichtlich, dass sie ihn knallhart im Griff hatte.
Er sank langsam wieder auf das Sofa.
»Wir wollen Mr. Essex natürlich in keiner Weise schaden«, sagte Berit schlicht und legte den Kopf ein wenig schief. »Im Gegenteil. Wir wollen unseren Lesern einfach nur seinen Eindruck von der Nacht auf Schloss Yxtaholm vermitteln können.«
»Völlig ausgeschlossen«, sagte der Mann. »John befindet sich gerade auf einer Welttournee, für so was hat er keine Zeit. Die unglückselige Vorstellung dort haben wir hinter uns gelassen.«
Berit betrachtete den Mann, seine Hände mit den Leberflecken und die solariumgebräunte Haut unter dem Dreitagebart. Sie suchte in sich nach Schuldgefühlen oder Scham angesichts dessen, was sie gerade tat, fand aber weder das eine noch das andere.
»Wie schade«, sagte sie, »denn weder wir noch die schwedische Polizei haben das hinter uns gelassen. Und wie ich Ihnen gerade schon erklärt habe, ist meine Zeitung es ihren Lesern schuldig, sie über die Entwicklung bei Geschehnissen von allgemeinem Interesse auf dem Laufenden zu halten. Gegenüber den Besitzern der Zeitung ist die Aufgabe eine ganz andere, nämlich Gewinn zu machen. Wir sind also überhaupt nicht in der Position, kommerziell bedeutsames Material nicht zu benutzen, nur um nett zu sein.«
Der Tourneeleiter blinzelte ein paar Mal misstrauisch, aber aufmerksam.
Berit nahm die rosa Mappe und wog sie in der Hand.
»Meine Zeitung verfügt über Bilder von John Essex zusammen mit der getöteten Moderatorin«, sagte sie und ließ die Mappe ein wenig wippen.
»Und?«, fragte der Mann.
»Sie sind ziemlich sensationell«, sagte Berit und sah dem Mann tief in die Augen.
Er warf einen schnellen Blick hinter sich und beugte sich nicht sonderlich aufgeregt nach vorn. Sein Atem roch nach Zigarre.
»Reden Sie von Sexbildern? Damit können wir umgehen.
Es ist keine Neuigkeit, dass John mit vielen Weibern schläft.«
»Das ist allerdings nur ein Teil unseres Materials. Wir haben auch eine Abschrift von der technischen Analyse der Mordwaffe.«
Mit einem Mal bekam der Tourneeleiter Angst. Sein Rückgrat wurde steif, sein Blick wich ihrem aus.
»John hat sie nicht erschossen.«
Berit zuckte mit den Schultern.
»Schon möglich«, sagte sie, »aber er hat den geladenen Revolver für ganz andere Sachen benutzt.«
Sie ließ ihre Worte wirken und sah, wie der Groschen im Kopf des Tourneeleiters fiel.
»Perverser Sex?«, fragte er sehr leise.
»So pervers es nur geht«, sagte Berit in derselben Tonlage.
»Und es ist sicher, dass er es war?«
»Überall Fingerabdrücke. Auf dem Kolben, dem Lauf, dem Abzug.«
Der Mann hielt die Hand abwehrend hoch, lehnte sich ins Sofa zurück und folgte mit dem Blick einem Pärchen auf Hochzeitsreise, das gerade durch die Lobby ging.
»Das hier ist nicht der richtige Ort, um solche Sachen zu besprechen«, sagte er leise.
»Sie haben den Ort ausgewählt«, gab Berit zu bedenken und wusste, dass sie gewonnen hatte.
Es regnete nicht mehr, die Erde war kalt und nass.
Lehmbraunes Wasser floss die asphaltierte Einfahrt zum Tor hinunter.
»Annika! Annika Bengtzon!«
Sie war gerade an der Bushaltestelle vor den Fernsehstudios angekommen, als sie das Rufen hinter sich hörte.
Eine Frau kam zusammen mit dem matschigen Wasser den Hügel herunter. Sie stöckelte vorsichtig auf ihren hohen Absätzen. Als sie näher kam, erkannte Annika Bambi Rosenberg, die unter der Schminke hohläugig aussah.
»Was für ein Glück, dass ich Sie noch gesehen habe«, sagte die Frau und stolperte atemlos auf Annika zu.
»Stimmt es, dass die bei Zero morgen eine Gedenkfeier für Michelle machen werden?«
Die Soapdarstellerin war völlig fertig, ihre Unterlippe zitterte und sie hatte Lippenstift auf den Zähnen.
»Soweit ich weiß, ja«, sagte Annika und begegnete ihrem flackernden Blick.
»Das ist doch schrecklich, ganz schrecklich!
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