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Prime Time

Prime Time

Titel: Prime Time Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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machte den Körper zu Flucht und Verteidigung bereit.
    »Das war doch ich, oder?«
    Ihre Stimme war zurückhaltend, aber der Mann bemerkte es nicht, denn er war mit seiner eigenen Unsicherheit beschäftigt. »Erinnerst du dich noch, ob meine Tür abgeschlossen war?«
    Das Band war durchgelaufen und wurde zurückgespult. Das Mickey-Mouse-Geplapper verstummte und wurde durch ein elektronisches Wimmern ersetzt.
    Annes Herz schlug bis zum Hals.
    »Hm«, brummte sie, »ich weiß nicht. Warum willst du das wissen?«
    Gunnar Antonsson wand sich ein wenig und fuhr sich unruhig mit den Händen durch das Haar.
    »Ich fühle mich schuldig«, sagte er. »Ich weiß, dass ich den Bus am Abend abgeschlossen habe, das tue ich immer, und am Donnerstag habe ich es auch getan, da bin ich ganz sicher.
    Aber ich weiß nicht, ob ich meine Zimmertür abgeschlossen habe. Manchmal mache ich das nicht, weil es ja Feuer geben könnte und ich mir einen Fluchtweg offen lassen möchte.«
    Die nachdenklichen Worte des Mannes beruhigten sie. Er hatte es nicht auf sie abgesehen, sondern wollte seine eigene Rolle klären.
    »Aber Gunnar«, sagte sie, beugte sich vor und legte ihre Hand aufsein Knie. »So darfst du doch nicht denken.«
    »Doch«, unterbrach er sie. »In der Nacht ist jemand in meinem Zimmer gewesen und hat die Schlüssel vom Bus gestohlen. Und wenn ich die Tür nicht abgeschlossen habe, ist alles meine Schuld.«
    »Aber«, gab Anne zu bedenken, »so kann es doch gar nicht gewesen sein. Du hast uns doch aufgeschlossen. Nur du hattest die Schlüssel zum Bus, und sie waren in deiner Hosentasche, wie immer.«
    Er schüttelte schnell und mit tränenden Augen den Kopf.
    »Nein«, flüsterte er. »Ganz und gar nicht wie immer. Sie waren in der rechten.«
    Anne starrte den Mann an. Seine Verzweiflung machte sie betroffen.
    »Was?«
    »In der rechten Hosentasche. Und ich tue sie immer in die linke. Jemand hat sie genommen und dann zurückgelegt. Und er dachte, ich würde es nicht merken. Deshalb frage ich dich: Kannst du dich erinnern, ob die Tür abgeschlossen war?«
    Anne Snapphane schloss die Augen und suchte in ihrer betrunkenen Erinnerung. Sie klopfte fest an Gunnars Tür, sie hatten sich überlegt, dass Michelle sich irgendwie im Bus versteckt haben musste. Das war der einzige Ort, den sie nicht nach ihr durchsucht hatten. Sie erinnerte sich an ihre Wut, an ihre Sehnsucht nach Rache, jetzt würden sie Michelle zur Rede stellen, verdammt noch mal. Sie hatte fest an die Zimmertür geklopft und über sein dröhnendes Schnarchen hinweg gerufen: »Gunnar, nun steh schon auf!«
    Dann hatte sie die Klinke heruntergedrückt, die Tür ging auf, im Zimmer hatte es schlecht gerochen, nach Schweiß und Muff. Unter der dünnen Decke hatte der unförmige Körper des Mannes gelegen.
    »Ja«, sagte sie leise, »die Tür war nicht verschlossen.«
    Er seufzte schwer, aber doch irgendwie erleichtert.
    »Dann weiß ich das jetzt«, sagte er, erhob sich und klopfte ihr auf die Schulter. »Du bist ein gutes Mädchen, Anne.«
    Die Straße war lang und gerade und wurde von Dreifamilienhäusern unterschiedlichen Standards aus den Vierziger- und Fünfzigerjahren gesäumt. Gelbe Ziegelsteine, grauer Putz, Balkons mit Blechverkleidungen.
    Sie kämpfte sich gegen Wind, Nässe und den Geruch von Benzin an dem Bootsbauer, dem Geschäft mit Parabolantennen, dem Solarium mit den heruntergelassenen Jalousien, dem Vereinslokal der Modellbauer und dem Karateclub vorbei.
    Der Hof, der eine Neonazigruppe beherbergen sollte, sah aus wie alle anderen, Blechgarage, ein großer Container, Teppichstange und Motorenvorheizer, stark zurückgeschnittene Birken, angestückelter Asphalt. Eine Treppe führte zu einer Kellertür aus grauem Metall, sie ging vorsichtig über den unebenen Beton und klopfte fest an der Tür. Keine Antwort.
    Sie drückte die Klinke hinunter und zog an der Tür. Sie ging auf. Aus der Dunkelheit kam Musik, hektisches Heavy Metal in einer miesen Aufnahme. Ein heiserer Jüngling brüllte davon, das System zu bekämpfen, bekämpft das System, bekämpft das System, zerschlagt es, brennt es bis auf seine Grundfesten nieder, die Politiker arbeiten nicht für das Volk, bereichern sich nur selbst, vergewaltigen uns alle.
    Sie trat in das Dunkel, spürte die Bässe im Magen und tastete sich durch einen staubigen Flur, der nach Schimmel roch. Auf der linken Seite stand eine Tür einen Spalt breit offen, aus dem Licht und Lärmwogen drangen. Sie war aus Metall, schwarz

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