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Prime Time

Prime Time

Titel: Prime Time Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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Juli, vier Tage nach der Veröffentlichung des Berichts. Torstensson hatte gewartet, der Blödmann hatte nicht betrogen. Verwünschungen zischten durch Schymans Gehirn wie Öl auf heißer Glut und brachten unaussprechliche Gemeinheiten über den Chefredakteur hervor:
    Zu dämlich, um zu begreifen, was der Vorstand gesagt hat.
    Zu bekloppt, um die Informationen zu einem Insidergeschäft zu nutzen.
    Zu feige, um abzuspringen.
    Zu loyal, um sich rauszuziehen.
    Vielleicht zu ehrenwert, um ein Verbrechen zu begehen.
    Dieser Schluss brachte Schyman auf die Beine, hoch, weg, ein Band wurde ihm über der Brust zusammengezogen, machte es fast unmöglich zu atmen, was hatte er getan? Was hatte er nur angerichtet? Welche Kräfte hatte er eigentlich in Bewegung gesetzt, und wie weit hatte das schon geführt?
    Musste er jetzt seinen Hut nehmen?
    Er schaute durch die geschlossene Glastür, dahinter schwebte die Redaktion, ein Organismus, der Unterstützung, Nahrung und Schutz brauchte. Torstensson war der falsche Mann, oder war er selbst die wandelnde Fehleinschätzung?
    Es war falsch gewesen, den Chefredakteur herauszufordern, o Gott, jetzt erkannte er mit aller Macht, wie sehr er auf die Milzbrandmappe gesetzt hatte. Er hatte nichts anderes zu bieten, keine Macht über die Redaktion, keinen Auftrag der Konzernleitung, nur Gemeinheit, Machtmissbrauch und ein falsches Spiel. Er hatte eine einzige Waffe, und das war die Öffentlichkeit. Jetzt ging ihm die Munition aus, verschwand in der Stille nach dem Anruf von Annika Bengtzon. Er war entwaffnet, ganz unten, nackt.
    Er verschränkte die Hände ganz fest, sah Spiken am Nachrichtendesk mit den Füßen auf dem Schreibtisch, eine Schachtel Zigaretten in der Hand.
    Warum kümmert mich das eigentlich?, fragte er sich. Ich muss doch einfach nur loslassen, den ganzen Scheiß den Bach runtergehen lassen. Im Grunde ist das doch alles nicht mein Problem, ich kann auch wieder beim Fernsehen anfangen, kann in verschiedene Vorstände eintreten, in die IT-Branche einsteigen.
    Er krümmte sich zusammen und spürte, wie sich das Hemd über seinem Rückgrat spannte.
    Es war vorbei. Hier konnte er nicht länger bleiben, das musste er akzeptieren. Keinen einzigen Tag mehr unter Torstensson, keinen einzigen Tag mit Frustration und Böswilligkeit. Im Grunde gab es nichts mehr aufzuschieben.
    Er ging zu seinem Stuhl zurück, rang nach Luft. Der Schweiß stand ihm auf der Stirn, und seine Hände zitterten.
    Er holte seinen Arbeitsvertrag heraus und las die Paragraphen sechs und sieben durch. Er konnte heute aufhören, weggehen und nie mehr zurückkommen. Er musste einfach nur so tun, als würde er ein Konkurrenzblatt gründen, dann würden sie ihn sofort rausschmeißen und die Tür hinter ihm zuschließen.
    Seine Zeit beim
Abendblatt
würde nur ein Halbsatz sein, eine kurze, klein gedruckte Fußnote. Was würden sie wohl über ihn sagen? Welche Adjektive würden sie benutzen, um ihn zu beschreiben?
    Hitzig. Missgelaunt. Ehrgeizig vielleicht. Inkompetent.
    Definitiv inkompetent. Früher hatten sie Spaß daran gehabt, ihm drucktechnische Fachbegriffe einzubläuen. Konnte nicht delegieren, hatte seine Lieblinge, diese Bengtzon …
    Als das Telefon klingelte, schoss er aus dem Stuhl.
    »Hören Sie«, sagte Annika Bengtzon, »ich habe da noch was rausgekriegt. Laut Wertpapierzentrale haben die Aktien am 24. Juli den Besitzer gewechselt.«
    Es war totenstill im Zimmer. Er öffnete den obersten Hemdknopf, zog den Kragen auf.
    »Das sagten Sie bereits«, meinte Schyman und legte eine Hand an die Stirn.
    »Also habe ich einen Typen angerufen, den ich da heute Morgen kennen gelernt habe, und er hat mir meine Vermutung bestätigt.«
    Es knisterte und knackte in der Leitung, ein Fahrzeug donnerte vorbei.
    »Und?«, fragte er und bekam fast keinen Laut heraus.
    »Es dauert drei Tage, bis die Zentrale einen Verkauf registriert.« Er sank zusammen, musste alle Kraft aufbringen, um sich nicht der Länge nach auf den Schreibtisch zu legen.
    »Bringt trotzdem nichts«, sagte er. »Damit landen wir beim 21.«
    »Drei Werktage«, bemerkte Bengtzon. »Der 24. Juli war ein Montag. Der Verkauf selbst fand am Mittwoch der Woche davor statt.«
    Die Zeit schien stehen zu bleiben, Stille breitete sich über der Welt aus und ließ ein hohles Echo im Kopf des Redaktionsleiters zurück. Schymans Blick war auf die Redaktion gerichtet.
    »Was bedeutet …«
    »… dass Torstensson seine Aktien am 19. Juli verkauft hat, am Tag vor der

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