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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Ende befand sich ein großes Fenster, das auf einen großen, freien Platz, vielleicht Salisbury Square im Herzen von St. Bride’s, hinausging. Daniel konnte es nicht sagen, weil die Fenster mit Vorhängen verhängt waren, die aus recht guter Spitze bestanden, aber zu groß für diese Fenster und von Pfeifenrauch so braun wie Schiffshanf waren. Es handelte sich, wie ihm mit einem leisen Schauder aufging, um gestohlene Vorhänge – wahrscheinlich am helllichten Tag aus irgendeinem offenen Fenster stibitzt. Vor diesem ockerfarbenen Schirm zeichneten sich die Silhouetten dreier Frauen ab, zwei hager und jung, die dritte, die eine Tonpfeife rauchte, dicklich und etwas älter.
    Er zwang sich, seine Aufmerksamkeit wieder Saturn zuzuwenden. Doch dabei wanderte sein Blick durch den Raum, und er gewann einen Eindruck von vielen unterschiedlichen Arten von Menschen: einem Gentleman, der auch beim Promenieren auf dem St. James’s Square nicht fehl am Platze gewirkt hätte, sowie mehreren, die eher nach Hockley-in-the-Hole gehörten.
    Dank seiner Anstrengungen hatte Saturn aus dem Haufen von Kohlestückchen und Asche auf dem Herd Licht, aber keine wahrnehmbare Wärme hervorgezaubert. Das reichte – Hitze wurde nicht gebraucht. Wie es schien, hatte er nur eine Beschäftigung für seine nervösen Hände gebraucht.
    »Eine Menge weiblicher Wesen!«, bemerkte Daniel.
    »Wir nennen sie Frauen«, fauchte Saturn. »Ich hoffe, Ihr habt nicht umhergeglotzt wie ein verdammter Naturphilosoph vor einer Ungeziefersammlung.«
    »Wir nennen sie Insekten«, schoss Daniel zurück. Dies entlockte Saturn ein von feiner Lebensart zeugendes Nicken.
    »Auch ohne zu glotzen«, fuhr Daniel fort, »erkenne ich wohl, dass es hier zwar unordentlich, aber alles andere als abstoßend ist.«
    »In gewissem Sinne lieben Verbrecher Ordnung noch mehr als Richter«, sagte Saturn.
    In diesem Augenblick betrat ein schwer atmender Junge den Raum und ließ seinen Blick über die Gesichter wandern. Er entdeckte Saturn sofort und bewegte sich mit freudiger Miene auf ihn zu, wobei er sich angelegentlich in die Tasche griff; aber Peter Hoxton musste ihm einen warnenden Blick zugeworfen oder irgendein Zeichen gegeben haben, weil er plötzlich ein langes Gesicht zog und auf dem Absatz kehrtmachte.
    »Ein Junge, der sich auf der Straße Eure Uhr schnappt, tut dies nicht aus dem widernatürlichen Bedürfnis heraus, Euch Kummer zu machen. Was ihn antreibt, ist eine vernünftige Gewinnerwartung. Wo Ihr seht, dass Schafe geschoren werden, dürft Ihr annehmen, dass es nahebei Spinnräder gibt; wo Euch etwas aus der Tasche gestohlen wird, wisst Ihr, dass es, durch einen raschen Lauf zu erreichen, ein Haus wie dieses gibt.«
    »In seinem Ambiente gleicht es stark einem Kaffeehaus.«
    »Ja. Doch beachtet, dass der Menschenschlag, der dazu neigt, Häuser wie dieses zu verabscheuen, sagen würde, dass das Höllische daran gerade seiner Annehmlichkeit innewohnt.«
    »Ich muss zugeben, dass es weniger nach Kaffee als nach dem billigen Duft von Genever riecht.«
    »Gin nennen wir es an Orten wie diesem. Mein Untergang«, erklärte Saturn lakonisch und lugte über die Schulter nach dem Jungen, der sich mittlerweile in Verhandlungen mit einem dicken, allein an einem Ecktisch sitzenden Mann befand. Saturn fuhr fort, den Raum gründlich mit Blicken abzusuchen.
    »Ihr verstoßt gegen Eure eigenen Regeln! Nach was schaut Ihr da?«
    »Ich rufe mir die Ausgänge in Erinnerung. Falls sich das als Schmu erweist, werde ich mich nicht damit aufhalten, mich zu entschuldigen.«
    »Habt Ihr zufällig unseren Käufer gesehen?«, erkundigte sich Daniel.
    »Bis auf meinen Uhrmacherkollegen dort in der Ecke und den Knacker neben uns, der versucht, seine Franzosenkrankheit mit Gin und Quecksilber wegzuspülen, sind alle Anwesenden in Gruppen gekommen«, sagte Saturn, »und ich habe dem Käufer gesagt, dass er allein kommen muss.«
    »Knacker nennt Ihr einen älteren Mann?«
    »Ja.«
    Daniel wagte einen Blick auf besagten Knacker, der sich, keine Schwertlänge von ihnen entfernt, in der Ecke neben dem Herd auf dem Boden zusammengerollt hatte – denn der Raum war klein, die Tische standen dicht beieinander, und die Trennung zwischen den einzelnen Gruppen wurde nur durch eine Art Etikette gewahrt. Der Knacker sah aus wie ein Gewirr aus Decken und abgetragenen Kleidern, aus dessen einem Ende fahle Hände und ein Gesicht hervorschauten. Auf den Herdsteinen direkt vor ihm standen eine Tonflasche

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