Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
hatte die Augen verdreht, während er offenen Mundes in die Luft stierte. Daniel kannte die beiden steinernen Burschen gut und fühlte sich ihnen sogar gleichsam patenschaftlich verbunden. Er hatte Hooke in seinem Atelier unter der Kuppel von Bedlam besucht, als dieser sie skizziert hatte, und er hatte es sogar gewagt, Vorschläge zu machen, die Hooke natürlich ignoriert hatte. Nachdem sie von Bildhauern ausgeführt und in Position gehievt worden waren, war Daniel oft unter ihnen hindurchgegangen, wenn er Hooke besucht oder an den verrückten Experimenten der Royal Society mit Wahnsinnigen teilgenommen hatte. Erst heute allerdings verspürte er eine solche Verwandtschaft mit ihnen. Denn heute stand Daniel – an so vielen Tagen die Personifizierung der Melancholie – in dieser Schlange, links von Sir Isaac Newton: der Manie höchstpersönlich. Sein Blick ging ein paarmal zwischen der Skulptur der Manie – oder kompletten Verrücktheit, wie das gemeine Volk sie nannte – und Isaac hin und her, und er hoffte, dass Letzterer die Ähnlichkeit bemerken würde. Denn Daniel brachte nicht den Mut auf, seinen Gedanken Ausdruck zu verleihen. Schließlich seufzte Isaac, verdrehte die Augen und sagte: »Ja, sehr drollig.«
    Zur gegebenen Zeit stiegen sie eine breite Treppe zum Tor hinauf und bezahlten ihren Penny. Damit durften sie eine weitere Treppe bis zum Eingang des Gebäudes hinaufsteigen, wo sie Gelegenheit bekamen, den Angestellten, die an der Tür herumlungerten, zusätzlich Bestechungsgelder zu zahlen. Das war nicht unbedingt nötig, würde aber gewährleisten, dass man sie geradewegs zu den unterhaltsamsten Wahnsinnigen in der ganzen Einrichtung geleitete. Daniel musterte lediglich ihre Gesichter und ging, als er das gesuchte nicht entdeckte, Isaac voran in das Gebäude.
    »Wie bitte?«, sagte dieser, denn er hatte Daniel etwas murmeln hören. »Hast du etwas gesagt?«
    Eine tiefe Stimme hinter ihnen sagte: »Um Vergebung, Sir Isaac, aber Ihr braucht ihn nicht zu beachten. Jedes Mal, wenn Dr. Waterhouse die Schwelle dort überschreitet, spricht er gewohnheitsmäßig ein Gebet, dass es ihm erlaubt sein möge, auch wieder zu gehen.«
    Isaac ignorierte das geflissentlich, da er annahm, die Worte wären von irgendeinem Insassen gekommen, der an der Tür lauerte und hoffte, für seine schalkhaften Bemerkungen eine Münze zu bekommen. Was nicht schlecht geraten, aber falsch war. Daniel drehte sich zu dem Mann um, der gesprochen hatte. Schließlich tat es auch Isaac.
    Der Mann war kein Wahnsinniger, denn sein Haar war lang und glatt. Die Insassen bekamen den Kopf geschoren. Und er trug keine Fesseln an Hand- und Fußgelenken. Isaac erstarrte und zog sich dann sogar einen Schritt zurück, während Daniel schon auf den Mann zutrat, um ihm die Hand zu geben. Denn Isaac hatte Saturn als jemanden erkannt, mit dem er einmal in einer Kaschemme auf der Rückseite von Bridewell eine Begegnung von äußerst dubioser Art gehabt hatte. Doch nach einigen Minuten der Überlegung – und da er sich von Ketten tragenden Wahnsinnigen und Melancholikern mit rasiertem Schädel umgeben sah – kam Sir Isaac zu dem Schluss, dass die Gesellschaft von Saturn doch nicht so unangenehm war.
    Fast im selben Augenblick präsentierte sich noch ein vierter Mann, der in der Nähe von Saturn herumgelungert hatte, um sich von diesem vorstellen zu lassen. »Mr. Timothy Stubbs«, sagte Saturn, »der, wie Ihr an seinen roten Tressen erkennt, nicht hier wohnt. Aber, wie Ihr aus seinem indigofarbenen Anzug schließen könnt, hier arbeitet. Nehmt die Hand aus der Tasche, Dr. Waterhouse; er ist bereits bestochen worden.«
    »Wir haben uns um John Doe gekümmert, wie Ihr es angeordnet habt, Doktor«, verkündete Timothy Stubbs, nachdem sich Saturn weitere förmliche Vorstellungen hatte entlocken lassen. »Er hat jedes Medikament und jede Therapie bekommen, die der modernen Medizin bekannt sind – gibt aber leider durch nichts zu erkennen, dass er von seinen Wahnvorstellungen ablässt.«
    »Man denke!«, rief Daniel aus. »Ich nehme an, Ihr habt ihn hinter Schloss und Riegel halten müssen.«
    »Richtig, Doktor, sonst hätte er mittlerweile Löcher in sämtliche Wände geschlagen. Er ist in einer Zelle oben eingeschlossen.«
    »Wo man die gefährlichsten Wahnsinnigen einsperrt, im Obergeschoss«, übersetzte Saturn.
    »Bitte, wo ist Mr. Doe denn jetzt?«
    »In der Maschine zur Beruhigung gewalttätiger Verrückter, Sir«, sagte Stubbs, von der Frage leicht

Weitere Kostenlose Bücher