Principia
verblüfft. »Genau wie Ihr es angeordnet habt – vier Stunden täglich.«
»Haben die Purgationen gewirkt?«
»Falls Ihr meint, ob sie ihn purgieren – o ja, Sir, das tun sie, und zwar gründlich. Falls Ihr aber meint, ob sie seinen Wahnsinn kuriert haben, so ist das leider nicht der Fall – also haben wir sie abermals verdoppelt.«
»Ausgezeichnet!«, rief Daniel aus. »Wo geht es zu der Maschine?«
»Sie steht am Ende des Männerflügels – ein ganzes Stück zu Fuß, fürchte ich«, sagte Stubbs und führte sie vorsichtig um einen Mann mit kahlgeschorenem Schädel herum, der bäuchlings auf dem Boden lag, die Augen hin- und herhuschen ließ und einen Strom von Worten murmelte, der sich nach Militärjargon anhörte, alle paar Augenblicke unterbrochen von krampfartigem Zusammenzucken, mit dem er auf eingebildete Granatenexplosionen reagierte.
»Aber ich bitte Euch«, gab Daniel fröhlich zurück. »Bedlam ist zu Recht als der beste, trockenen Fußes zurückzulegende Spazierweg Londons bekannt.«
»An einem sonnigen Tag leider nur ein kleiner Trost«, sagte Stubbs und wich einer Gruppe von drei jungen Männern in Mohawk-Frisuren aus, die Schulter an Schulter standen und die Darbietung eines Wahnsinnigen kritisierten, der gleichzeitig Fiedel spielte und einen Jig tanzte:
»Ich gebe dir einen Penny, wenn du noch einen spielst – und zwei, wenn du aufhörst!«
»Was stehen wir hier herum und betrachten diese Jammergestalt, wenn es nur ein paar Schritte entfernt wahnsinnige Frauen in liederlicher Kleidung gibt?«
»Wenn du siehst, wie eine Wahnsinnige in liederlicher Kleidung in Wirklichkeit aussieht, beantwortet sich deine Frage von selbst.«
Sie verließen die zentrale Halle und gelangten in eine Galerie, die sich einige hundert Ellen weit erstreckte. Zur Rechten wurde sie gesäumt von Fenstern, die Licht von dem Himmel über den Moor Fields hereinließen. Zur Linken sah man eine Reihe dicht aufeinanderfolgender Türen, die auf Kopfhöhe ein kleines, vergittertes Fenster aufwiesen. Mit Ausnahme der Allervornehmsten und der Bettelärmsten sah man das gesamte Spektrum von Londonern – Männer, Frauen, niederer Adel, Bürgerliche, Erwachsene und Kinder, kleine Banden randalierender Lehrlinge, Scharen gutgekleideter junger Frauen, noch besser gekleidete, für sich bleibende weibliche Wesen (das waren Huren), beherzte alte Knacker und Weiber, die ihren Verdauungsspaziergang machten, umherflitzende Schwadronen kleiner Jungen, einherstolzierende Mohawks, sich herausputzende Dandys und unentwegt amüsierte Cockneys – von Tür zu Tür schlendern und zu jedem Fenster hineinspähen, um zu betrachten, was immer sich dahinter an Spektakel bot. Händler versorgten die Besucher mit Bier und Speisen aus ihren Schubkarren. Hier und da ging eine Gruppe von Wärtern in indigofarbenen Anzügen geschlossen auf irgendeinen Insassen los, der außer Kontrolle geraten war. Doch größtenteils mischten sich die Gefangenen ungehindert unter die Besucher – jedenfalls so ungehindert, wie man es konnte, wenn mit großzügig bemessenen Ketten Fuß- an Fußgelenk und Hand- an Handgelenk gefesselt war. Einige von ihnen – Melancholiker – saßen zusammengesunken auf dem Boden oder schlurften hin und her und ignorierten sogar die Besucher, die ihnen mit Spazierstöcken in die Rippen stießen. Andere – Wahnsinnige – führten wütende Dispute mit nicht sichtbar vorhandenen Wesenheiten oder faselten über das, was sie an Phantasien am stärksten beschäftigte; die lebhaftesten zogen ein kleines Publikum an, das über dieses irre Gerede sexueller oder politischer Natur lachte und sie zu weiteren Ausbrüchen anstachelte. Ein Wahnsinniger versuchte aller Welt zu erklären, dass Ludwig XIV. von einem geheimen Horst auf der Kuppel von St. Paul’s aus London beherrsche und über ein Heer von Jesuiten gebiete, die sich mittels Hexerei in graue Tauben verwandeln könnten. Ein junger Mann erzählte ihm, man habe beobachtet, wie ein ganzer Schwarm solcher Tauben durch ein kaputtes Fenster in die Kuppel von Bedlam eingedrungen sei. Diese Mitteilung versetzte den Wahnsinnigen in einen Zustand blanken Grauens und scheuchte ihn so rasch in seine Zelle zurück, wie er nur watscheln konnte. Das heftige Klirren seiner Ketten mischte sich mit dem Gelächter und dem Beifall der Zuschauer, sodass eine Unterhaltung unmöglich war.
Nachdem sich der Lärm gelegt hatte, verkündete Stubbs: »Wir müssen John Does Zelle fünfmal am Tag ausmisten« –
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