Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
zunächst für alles das Doppelte und Dreifache bezahlt.«
    »Was Euch in den Wirtshäusern von Plymouth in Verlegenheit gebracht hat, könnte Euch hier, ein paar Meilen weiter nördlich, reich machen«, sagte der Earl.
    »Es scheint mir keine sehr glückverheißende Örtlichkeit zu sein«, sagte Daniel. »Die armen Menschen, die hier gewohnt haben, konnten ja nicht einmal ihr Dach vor dem Einsturz bewahren.«
    »Hier hat niemand gewohnt – es war das, was die Alten ein Judenhaus nennen. Es bedeutet, dass es in der Nähe eine Ader gab«, sagte der Earl.
    Newcomen fügte hinzu: »Da drüben bei dem kleinen Bach habe ich die Überreste eines Stabhammers gesehen, zum Zerkleinern der Zinngraupen.« Nachdem er seine Pfeife in Gang gesetzt hatte, schob er die freie Hand in eine Tasche und zog einen schwarzen Stein hervor, der etwa so groß wie eine Semmel war. Er ließ ihn in Daniels Hand rollen. Der Stein war schwer und fühlte sich kälter an als die Luft. »Beachtet sein Gewicht, Dr. Waterhouse. Das ist schwarzes Zinn. Solches wurde hierher gebracht, wo wir jetzt stehen, und in einem Torffeuer geschmolzen. Unten lief weißes Zinn heraus, in einen aus Granit herausgehauenen Trog, und nach dem Erkalten hatte man einen Block reines Metall.«
    Auch der Earl hatte seine Pfeife mittlerweile in Brand gesetzt, was ihm einen jovialen, gelehrtenhaften Anstrich verlieh, und dies trotz der Tatsache, dass er nur dreiundzwanzig Jahre zählte, Kleider trug, die schon vor dreihundert Jahren aus der Mode gekommen waren, und überdies mit diversen seltsamen alten Artefakten wie etwa einigen heraldischen Zeichen, einem Torfstecher und einem kleinen Bündel Zwergeichenzweige herausgeputzt war. »Und hier komme ich ins Spiel, oder vielmehr meine Vorfahren«, bemerkte er. »Der Zinnblock wurde die gleiche entsetzliche Art von Straße hinabverfrachtet, die wir gerade heraufgekommen sind, und in eine der vier Zinnstädte gebracht.« Der Earl hielt inne, um in der klirrenden Ansammlung von Fetischen zu wühlen, die ihm an Ketten um den Hals hingen, und förderte schließlich einen Hammer mit meißelförmigem Kopf zutage, den er drohend in der Luft schwenkte – im Gegensatz zu den meisten Earls machte er den Eindruck, als hätte er im Laufe seines Lebens vielleicht tatsächlich schon einmal zu einem authentischen Zweck einen Hammer benutzt. »Der Bergwardein schlug von jedem Block eine Ecke ab und untersuchte sie auf Reinheit. Ein altes Wort für ›corner‹, Ecke, ist ›coign‹, woraus sich, beispielsweise, ›quoin‹ ableitet -«
    Daniel nickte. »So heißt der Keil, den Kanoniere an Bord eines Schiffes zum Richten eines Geschützes verwenden.«
    »Für diesen Vorgang bürgerte sich das Wort quoinage ein. Und daher unser merkwürdiges englisches Wort ›coin‹ für Münze, das keinerlei Beziehung zu irgendwelchen französischen, lateinischen oder deutschen Wörtern hat. Unsere Freunde auf dem Kontinent sagen, grob übersetzt, ›ein Stück Geld‹, wir Engländer dagegen -«
    »Halt.«
    »Sind Euch meine Ausführungen lästig, Dr. Waterhouse?«
    »Nur insofern, als ich Euch zugetan bin, Will, und das schon seit ich Euch als jungen Burschen kennengelernt habe. Ihr seid mir immer als klarer Kopf erschienen. Doch jetzt, fürchte ich, geratet Ihr auf alchimistische und autodidaktische Abwege. Ihr wolltet gerade erklären, dass englisches Geld anders sei und dass sein Anderssein der Reinheit des Metalls innewohne und sich schon in dem Wort ›coin‹ niederschlage. Aber ich versichere Euch, dass Franzosen und Deutsche wissen, was Geld ist. Und etwas anderes zu glauben heißt, sich sein vernünftiges Urteil von Toryismus trüben zu lassen.«
    »Wenn Ihr es so formuliert, klingt es in der Tat ein wenig albern«, sagte der Earl durchaus heiter. Dann überlegte er: »Vielleicht habe ich es deshalb für nötig gehalten, diese Reise mit einem Schmied auf der einen und einem siebenundsechzig Jahre alten Doktor auf der anderen Seite zu unternehmen – um dem Vorhaben eine gewisse Seriosität zu verleihen.«
    Mittels Gesten, die so subtil und geschmackvoll waren, dass man sie schon fast subliminal nennen konnte, gab der Earl ihnen zu verstehen, dass es Zeit zur Weiterfahrt sei. Sie kehrten zur Kutsche zurück, obschon der Earl noch einige Augenblicke auf dem Trittbrett verhielt, um höfliche Worte mit einer kleinen Schar Herrenreiter zu wechseln, die gerade aus der Schlucht heraufgekommen waren und das auf den Schlag der Kutsche gemalte Wappen

Weitere Kostenlose Bücher