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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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die von so vielen ihrer karibischen Untertanen gesprochen wird, hat I. A. M. den Brief an mich geschickt und mir damit die Ehre zuteilwerden lassen, ihn ins Englische zu übersetzen. Was ich hiermit getan habe; Bemühungen, ihn an I. B. M. weiterzuschicken, sind jedoch fehlgeschlagen. So oft ich ihn losschickte, so oft kam er mit dem Vermerk zurück, die Empfängerin lehne es ab, dafür zu zahlen. Ich sehe, dass das kürzliche Verschwinden von Einkünften, das zu solchem Streit in Westminster geführt hat, in St. James’s zu spüren war. Deshalb habe ich beschlossen, als Gefälligkeit gegenüber I. B. M. die englische Fassung des Briefes von I. A. M. in Form dieses Libells oder Flugblatts zu veröffentlichen, in der Hoffnung, ein Windstoß möge es in den St. James’s Palast lüpfen und damit ohne jede Kosten für die Regierung von I. B. M. eine Zustellung bewirken, die sonst zu einer finanziellen Belastung geworden wäre.
    Der Brief beginnt so:
Mon cousine ,
so groß ist der Glanz Eurer Aufklärung, dass die Menschen in
meinem Land, die vorher so blass wie Waisen in einem irischen
Armenhaus waren, jetzt vollkommen schwarz geworden sind...
    [Anmerkung des Übersetzers: An dieser Stelle überspringe ich eine Vielzahl weiterer derart hochtrabender Entschuldigungen, Komplimente etc. und gehe unmittelbar zum wesentlichen Teil des Briefes von I. A. M. über.]
    Kürzlich ist mir zu Ohren gekommen, dass gewisse Gelder, die Eurer Majestät als gebührender Gewinn aus dem Sklavenhandel geschickt worden waren, Eure Schatzkammern nicht erreicht haben und dass auch eine unablässige Suche sie nicht wieder zutage gefördert hat. Falls sie wahr ist, eine höchst bemerkenswerte Nachricht, denn Fehler nämlicher Art sind an den beiden anderen Eckpunkten dieses Dreieckshandels beobachtet worden. Der Karibik sollte nämlich eine gewisse Anzahl meiner Untertanen geliefert werden. In verschiedenen Sklavenhandelsposten entlang der Küste von Guinea werden diese von Schiffskapitänen verladen, die sie mit größter Sorgfalt zählen und in peinlich genau geführte Bestandslisten eintragen. Doch einige Wochen später kommen dieselben Schiffe halb leer an den Sklavenmärkten von Jamaika, Barbados etc. an; und die wenigen noch lebenden Sklaven, die aus ihrem stinkenden Rumpf entladen werden, befinden sich in einem so jammervollen Zustand, dass viele von ihnen am Strand zurückgelassen werden müssen, weil kein Plantagenbesitzer bereit ist, sie zu kaufen. Unterdessen ist ein ähnlicher Fehlschlag auch aus meiner Perspektive, dem königlichen Palast in Bonny, zu beobachten. Man hatte uns nämlich zu verstehen gegeben, dass besagter Dreieckshandel Zivilisation, Christentum, Aufklärung und andere Tugenden an unsere Gestade bringen würde. Statt Zivilisation bekommen wir täglich Schiffsladungen weißer Wilder, die unsere Küste plündern wie Wikinger, die in einem Nonnenkloster ihren Spaß haben. Statt Christentum bringt man uns eine heidnische Mentalität, die die Sklaverei für gut hält, weil sie schon von den Römern praktiziert wurde. Und anstelle von Aufklärung breitet sich mit den grausamen Folgen der Sünden und Gräueltaten, die ich erwähnt habe, geistiges Dunkel um uns aus.
    In Anbetracht der von mir nun unwiderlegbar bewiesenen Tatsache, dass keine Seite des Dreieckshandels so funktioniert, wie sie sollte – Afrika wartet immer noch auf die Zivilisation, Amerika auf die Sklaven und die Schatzkammer Eurer Britischen Majestät auf das Asiento -Geld -, schlage ich vor, dass wir ihn als gescheitertes Abenteuer bezeichnen und unverzüglich beenden.
    Hochachtungsvoll,
Eurer Britischen Majestät ergebene Dienerin,
wenn auch [jedenfalls noch] nicht gehorsamste Sklavin
BONNY
    Daniel schaute mit heiterer Miene auf und hob schon an, das Libell laut vorzulesen, als er angesichts eines kobraartigen Blicks von Mr. Threader erstarrte. »Morgen werde ich diesen Raum mit einer King-James-Fassung versorgen«, kündigte Threader an, »damit Dr. Waterhouse dem guten Beispiel seines Glaubensgenossen« (ein Seitenblick zu Orney) »folgen und vom Libell zur Bibel übergehen kann.«
    Daniel legte das Blatt hin und schaute eine Weile aus dem Fenster. Nachdem einige Minuten vergangen waren, wurde sein Blick von einer winzigen Bewegung vor dem Tatler-Lock angezogen. Etwas in einem der oberen Fenster hatte sich verändert. Langsam stand er auf, wagte aber nicht, den Blick davon zu lassen, denn aus diesen Fenstern hatte man eine so umfassende und

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