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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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niemand erfahren, dass Eure Königliche Hoheit an Bord ist.«
    »Das ist alles eine große Farce«, lautete Prinzessin Carolines Urteil. In der Dunkelheit konnte sie nicht sehen, wie Johann in sich zusammensackte, aber sie merkte, wie die Luft aus ihm ausströmte. »Es tut mir leid«, sagte sie.
    »Ganz im Gegenteil. La belle dame sans merci ist eine Rolle, die dich kleidet – sie wird dir dienlich sein, wenn du Königin bist, und Greenwich ist eins deiner Landhäuser.«
    »Ich bin gnadenlos mit mir selbst«, sagte Caroline, »nicht nur mit dir. Es war dumm von mir, nach England zu kommen.«
    »Ganz im Gegenteil – in Hannover warst du vor diesem Meuchelmörder nicht sicher.«
    »Diesem Meuchelmörder, der mir ohne die geringste Mühe nach London folgte«, sagte Caroline, »und genau in diesem Moment vielleicht Jagd auf Eliza macht.«
    »Daran brauchst du mich nicht zu erinnern, sie ist meine Mutter«, erwiderte Johann. »Aber sie kannte dich schon als kleines Kind. Wann hat sie dir gegenüber je mit ihrer Meinung hinter dem Berg gehalten? Wenn sie oder ich das Gefühl gehabt hätte, dass dein Aufenthalt in London unklug wäre, hätten wir dir das gesagt.«
    »Ich darf mir aber meine eigene Meinung bilden. Ich sage, dass ich zu lange geblieben bin.«
    »Natürlich wird es so aussehen, wenn wir derart überstürzt abreisen – es wäre besser gewesen, du wärest vor einer Woche ohne jede Eile aufgebrochen. Aber damals konnten wir von alledem nichts voraussehen.«
    »Wie lange ist Sophies Beerdigung her? Sechs Wochen. Bis wir wieder in Hannover sind, vielleicht sieben oder acht.«
    »Für eine gramerfüllte Prinzessin ist das keine so schrecklich lange Zeit der Abwesenheit vom Hof.«
    »Vom Hof und vom Ehemann.«
    »Ehemann hat andere Möglichkeiten, sich zu sättigen.«
    »Genau das frage ich mich«, sagte Caroline. »Kann er, nach dem, was in dieser Nacht geschehen ist, Henrietta Braithwaite als maîtresse-en-titre behalten haben? Oder wird er sie fortgejagt und sich eine neue zugelegt haben? Oder -?«
    »Oder was?«
    »Oder sieht er mit Freude der Rückkehr seiner so lange abwesenden Frau entgegen? Seine Briefe waren in letzter Zeit interessanter.«
    »Interessanter als was ? Oder als wer ? Halt, du brauchst nicht zu antworten, wir sind an einen Ort gelangt, den Engel nicht gerne betreten.«
    »Es ist ein Ort, an den du wissentlich und willentlich gegangen bist, als du um eine verheiratete Prinzessin warbst.«
    Johann schwieg.
    »Da, siehst du? Wieder bin ich la belle dame sans merci . Ich hoffe, du findest Gefallen an ihr.«
    »Das tue ich«, sagte Johann, »dummer, sich abrackernder, fahrender Ritter, der ich bin.«
    »Tapferer, edelmütiger, strahlender Ritter«, widersprach Caroline, »der sein Visier geschlossen halten muss, wenn er jammert.«
    Das war für eine Weile das Ende der Konversation. Die Ruderfahrt auf der Themse dauerte lange. Caroline kämpfte gegen den Schlaf und gegen das Bedürfnis an, sich an Johann zu schmiegen. Den überfüllten Pool zu passieren, war zuweilen ungefähr so, wie wenn man bei Dunkelheit durch einen Wald rannte. Dann wieder hielten Wachposten auf verankerten Schiffen sie fälschlich für Schlammlerchen, beleuchteten sie mit Laternen und richteten Drohungen und Donnerbüchsen gegen sie. Als sie jedoch um die Biegung vor Rotherhithe fuhren und an der Isle of Dogs vorbeisausten, wurden die Schiffe weniger und größer. Obwohl die Ruderer müde waren, gewann das Boot an Geschwindigkeit, da es jetzt auf einem geraderen Kurs mit der Strömung fahren konnte. Nun, da sie dem Lärm und Wirrwarr der Stadt entronnen waren, nahmen sie kleine Dinge wahr, die zuvor unter anderen Eindrücken verborgen geblieben wären: Feuer, die auf Hügelkuppen entzündet wurden, und Reiter, die die Straßen zu beiden Seiten des Flusses entlanggaloppierten. Die Vorstellung drängte sich auf, dass Feuer wie Reiter merkwürdige Nachrichten aus der Stadt hinaustrugen, ins Land hinein und den Fluss hinunter ans Meer. Signalfeuer auf Kanalklippen mochten in dieser Nacht sogar Neuigkeiten zum Kontinent befördern. Woraus diese Neuigkeiten bestanden und ob sie wahr oder falsch waren, das blieb den Flüchtlingen auf der Pinasse jedoch verborgen.
    Wie Johann gehofft hatte, ging der Wechsel auf die Schaluppe schnell. Die Anker wurden gelichtet und die Segel gesetzt, um die vorhandene schwache Brise auszunutzen. Damit begann eine seltsame Nachtfahrt den Fluss hinunter, die für Caroline eine Fortsetzung der Fahrt mit

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