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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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der Pinasse darstellte, nur dass alles sich über eine größere Fläche verteilte: Von der Stadt strahlenförmig ausgehende Reihen von Freudenfeuern schoben sich weiter ins Land hinein, und es verging nicht eine Minute, ohne dass Carolines Ohren den schwachen Widerhall von galoppierenden Hufen auf der Poststraße hörten. Schließlich lullte sie sich nur mithilfe der Erklärung selbst ein, dass diese Schaluppe, die mit einem geheimnisvollen Passagier lautlos den dunklen Fluss entlangglitt, den Reitern auf diesen Pferden und den Wächtern auf den Hügeln ebenso düster und beunruhigend vorkommen musste wie sie ihr , und vielleicht mit gutem Grund, da sie ja (wie sie sich immer noch selbst ins Gedächtnis rufen musste) die Absicht hatte, dieses Land eines Tages zu regieren.

Sophia, Themsemündung
    DONNERSTAGMORGEN, 29. JULI 1714
    Hannover war von Land umgeben. Sein größtes Gewässer war ein drei Meilen breiter Tümpel. Die Reichen mochten in eigene Schiffe investieren, die Unbesonnenen darauf segeln, aber dazu mussten sie sich erst nach Bremerhaven begeben. Für die meisten Hannoveraner bestand nämlich die bevorzugte Art, auf die andere Seite eines Gewässers zu gelangen, darin, zu warten, bis es zugefroren war, und dann hinüberzurennen. Sophia , die Schaluppe, die Caroline und Johann bei Nacht und Nebel vor der Isle of Dogs bestiegen hatten, war zwar insofern ein Hannover’sches Schiff, als sie beeindruckend aussehende Dokumente mitführte, die ebendas bestätigten. Ihre Mannschaft bestand jedoch zum größten Teil aus Friesen, der Kapitän war ein Protestant aus Antwerpen namens Ursel, und die Burschen, die sich letzte Nacht auf der Pinasse in die Riemen gelegt hatten, waren mitsamt dem Boot von einem dänischen Walfänger angeheuert worden, dessen Rumpf gerade in Rotherhithe saubergekratzt wurde. Diese Dänen erwachten jetzt mit schmerzenden Rücken in Ostlondon. In der Zwischenzeit war viel Wasser, teils Süß-, teils Salzwasser, unter dem Kiel der Sophia hindurchgeflossen.
    Ihrem eigenen Urteilsvermögen überlassen, wäre Caroline wohl zu der Einschätzung gelangt, dass sie sich bereits auf offener See mit Kurs auf Antwerpen befanden. Der Nebel machte es unmöglich, in irgendeine Richtung mehr als einen Steinwurf weit zu sehen, aber die Sophia wurde von einem kräftigen Roller zum nächsten weitergegeben, wie ein Kind, das bei einer Hinrichtung in der Zuschauermenge von Schulter zu Schulter wanderte. Die Temperatur war gefallen (was, wie die Naturphilosophin in ihr wusste, den Nebel erklärte), und die Luft roch anders. Dass das jedoch die reine Torheit der Landratte war, konnte man an Ursel erkennen, der hier und jetzt genauso unglücklich aussah wie ein Hannoveraner auf halbem Weg über das Steinhuder Meer, wenn das Eis unter ihm zu brechen und zu sinken beginnt. » Das ist der Grund, warum kein Mensch das macht«, sagte er in einem Kauderwelsch aus Holländisch und Deutsch zu Johann.
    Das zweite das bedeutete im Licht all dessen, was in den letzten Stunden geschehen war, vermutlich »sich mitten in der Nacht aus dem Pool zu schleichen, damit nicht die Zollbeamten am Gravesend das Schiff besteigen, seine Ladung inspizieren und das gewohnte Schmiergeld kassieren, und dann die Hope hinunterzufahren, indem man mithilfe des Senkbleis navigiert und darauf hofft, sich vor Tagesanbruch an den Befestigungsanlagen von Sheerness vorbeidrücken zu können, um nicht von der zum nämlichen Zweck dort stationierten Küstenartillerie aus dem Wasser geblasen oder von Marineschiffen auf Schmugglerjagd eingeholt zu werden«. Was in den Augen einer Landratte alles vollbracht zu sein schien. Vor nicht allzu langer Zeit hatte eine gewaltige Glocke neunmal geschlagen, und einer der Maate, der sich auf der Themse auskannte, hatte sie als die Glocke der Kathedrale von Canterbury ausgemacht. Für Caroline, die Landkarten studiert hatte, war das ein Hinweis darauf, dass sie das Flussbett längst verlassen hatten.
    Weniger klar war, was Ursel mit dem ersten das gemeint hatte. Es musste etwas so Schlimmes sein, dass sich die Torheit, das zweite das in Angriff genommen zu haben, unmittelbar daraus erschloss. Caroline sah Johann an. Er war noch erschöpfter als sie (Caroline hatte nämlich geschlafen, er dagegen nicht) und obendrein seekrank. Seine Miene verriet, dass er über die Natur dieses ersten das nicht mehr wusste als sie. Deshalb hörte Caroline auf, in seinem Gesicht Antworten zu suchen, und schaute stattdessen den Friesen

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