Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
bitten, einen Toast auf die Gesundheit der Königin auszubringen, bevor sie anfangen, aufeinander einzuhacken. Nein, ich glaube, wenn es so weit kommt, werde ich die Verantwortung übernehmen müssen.«
    »Was soll das denn heißen? Wirst du behaupten, dass du mich entführt und gegen meinen Willen nach London gebracht hast?«
    »Etwas in der Art.«
    »Das ist albern. Ich werde einfach leugnen, dass ich bin, wer ich bin.«
    So drehten sie sich im Kreis, und die Diskussion verlief zäh und ohne Ergebnis, selbst als Ursel parallel dazu so etwas wie eine Unterhaltung mit dem Kapitän der Marinebrigg führte. Mithilfe von Signalflaggen wies die Brigg die Sophia an, sich durchsuchen zu lassen. Die Sophia gab zuerst vor, die Botschaft nicht zu sehen, dann, sie nicht zu verstehen; darauf verlieh ihr die Brigg mit einem Kanonenschuss über den Bug der Sophia Nachdruck. Die Schaluppe, die inzwischen in offenere und tiefere Gewässer vor Foulness Sand manövriert hatte, hisste die Segel und begann, sich davonzumachen, indem sie näher am Wind segelte, als es der mit Rahen getakelten Brigg möglich war. Das brachte sie mehrere Meilen näher zur offenen See, denn der Wind kam hauptsächlich von Osten, der Richtung, die sie ansteuerten. Sie segelten einen Zickzackkurs, indem sie mal ein paar Strich nach Norden, mal ein paar Strich nach Süden von ihrem Ostkurs abwichen. Die große Brigg machte es genauso, musste allerdings größere und ausgeprägtere Zickzackschleifen fahren, was sie eigentlich langsamer hätte machen müssen. Zumindest nach diesem einfachen Rechenexempel sah es also für die Sophia vorteilhaft aus. Doch wie der Morgen verging, erkannte Caroline (die das Ganze aufmerksam beobachtete, weil sie sich schon darauf freute, eine Kriegsflotte zu erben), dass es sich hier um eine Angelegenheit handelte, bei der der Teufel im Detail steckte. Die Brigg war imstande, schneller als die Sophia durchs Wasser zu pflügen, sodass der absolute Geschwindigkeitsunterschied letztlich gar nicht so groß war. Zudem hatte sie den richtigen Lotsen an Bord, der wusste, wo sich heute der Treibsand im Mündungsarm des Flusses befand. Ursel dagegen musste mit einer Seekarte arbeiten, die schon zehn Jahre alt war und sich jetzt als Palimpsest aus verwirrenden, von Hand gezeichneten Kreuzschraffuren und wütenden und leidenschaftlichen Kommentaren in verschiedenen nordeuropäischen Sprachen präsentierte. Weshalb der tatsächliche Kurs der Sophia , der alles andere als die regelmäßige Zickzacklinie darstellte, die sie sonst auf das tiefblaue Wasser gezeichnet hätte, ein wirres Ruckeln ungefähr in östliche Richtung war, bei dem sie Schwenks zur einen oder anderen Seite vollführte, sobald Ursel dachte, sie näherten sich irgendeiner auch nur als Gerücht auf der Karte vermerkten Gefahr, oder wenn die Entwicklung der Lotungen wenig verheißungsvoll war oder die Farbe des Wassers oder die Beschaffenheit seiner Oberfläche ihm nicht gefielen. Darauf wurde viel Zeit verwendet, und bei den häufigen Kursänderungen ging der Vorwärtsschwung der Sophia zu einem großen Teil verloren, während die Brigg mühelos quer über die Mündung aufkreuzte, wobei jede Wende genau berechnet wurde, um unsichtbare Lücken zwischen der Mitte, der Verwerfung, der Maus, dem Zapfen, dem Spanier, dem Zitternden Sand oder anderen Schifffahrtshindernissen, die für einen eigenen Namen zu klein oder zu flüchtig waren, zu durchbohren. Alles in allem war es eine beunruhigende, risikoreiche und gefährliche Angelegenheit, die eigentlich aufregend hätte sein sollen. Doch sie erstreckte sich über den halben Tag, und manchmal verging beinahe eine Stunde, ohne dass etwas Bestimmtes passierte. Es war ein wenig so, als säße man am Bett eines geliebten Menschen, der schwerkrank war: Es war bedeutsam, verzehrend und dennoch langweilig und demzufolge erschöpfend.
    Am Ende holte die Erschöpfung Ursel ein. Oder vielleicht war er auch einfach von der Brigg überlistet worden, die am späten Vormittag begann, sich der Sophia bis auf Schussweite zu nähern, und so aussah, als könnte sie versuchen, sich in die richtige Position zum Abfeuern einer Breitseite zu bringen. Plötzlich vor die Wahl zwischen Kanonenfeuer und Flachwasser gestellt, entschied Ursel sich für Letzteres, und prompt strandete die Sophia auf einem Schlammwulst, der, wie sich hinterher herausstellte, durch einen Schnörkel auf der Karte angedeutet war. Sie befanden sich zwischen Foreness und Foulness, an

Weitere Kostenlose Bücher