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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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- Hole
    SPÄTER
    »Zwei Gelehrte und ein Jude gehen in eine Kneipe …«, hob Saturn an.
    »Wie belieben?«
    »Vergesst es.«
    »Die meisten Leute würden mich einen Naturphilosophen und nicht einen Gelehrten nennen«, verbesserte Daniel ihn. Er deutete mit dem Kopf über die Länge des Tisches hinweg auf Leibniz. » Er dagegen ist ein Gelehrter.«
    »Ja«, stimmte Saturn ihm zu, »genau wie er .« Und sein Kopf wies auf die Eingangstür der Schänke.
    Daniel blickte gerade noch rechtzeitig auf, um Sir Isaac Newton zur Tür hereinkommen zu sehen.
    Als die Stierhetze zu Ende war (der Stier hatte verloren), hatte Peter der Große darauf bestanden, eine Runde auszugeben, und Saturn nach einer passenden Schänke gefragt. Daraufhin waren sie hier hereinmarschiert.
    Daniel hatte die Beobachtung gemacht, dass Schankwirtschaften in zwei Kategorien fielen, nämlich diejenigen, die viel kleiner waren, als sie von außen aussahen, und die anderen, die innen viel größer waren. Diese hier gehörte zum zweiten Typ, was aus verschiedenen Gründen von Vorteil war. Erstens belief sich Peters Gefolge, selbst wenn man Kosaken, Zwerge und anderes hinderliches Gepäck abzog, auf ein Dutzend Menschen. Zweitens waren zwei von ihnen (Peter und Saturn) ganz schön große Burschen. Und drittens hatte Daniel, als Isaac plötzlich hereinspazierte, wenigstens ein bisschen Zeit, die Fassung wiederzugewinnen, während er ihn nach hinten auf sie zukommen sah.
    Daniel und Saturn saßen nebeneinander mit Blick auf Fenster und Eingangstür, Leibniz und der Zar auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches.
    »Warum taucht er denn plötzlich hier auf?«, wunderte sich Daniel.
    »Als wir in Clerkenwell Court waren«, antwortete Saturn, »sandte der Zar eine Nachricht aus. Wie es scheint, gewährte Sir Isaac ihm, als er vor ein paar Jahren London besuchte, eine Führung durch die Münze, was bei ihm einen lebhaften Eindruck hinterließ. Als er heute die Gerätschaft zur Bearbeitung des Goldes sah, die wir gebaut haben, erinnerte er sich daran und kam auf die Idee, die Bekanntschaft mit diesem seltsamen Knaben, der ihn damals durch die Münze geführt hatte, aufzufrischen.«
    Peter stand auf und drehte sich um, was alle anderen ebenfalls zum Aufstehen nötigte. Der Moment der Begegnung zwischen Sir Isaac Newton und Baron Gottfried Wilhelm von Leibniz verging, ohne dass Daniel ihn mitbekam, denn er war so durcheinander, dass die Blutzufuhr zu seinem Gehirn eine Zeitlang unterbrochen war; er blieb zwar stehen und hatte die Augen geöffnet, aber es war, als wäre sein Bewusstsein ungefähr eine halbe Minute lang in eine völlige Finsternis gestürzt.
    Das Nächste, was er dann von seiner Umgebung wahrnahm, war Saturn, der ihn sachte am Ärmel zupfte. Daniel schaute sich um und stellte fest, dass er als Einziger noch stand. Der Zar war auf Daniels Seite des Tisches gekommen, um Isaac Platz zu machen. Daniel quetschte sein knochiges Becken in den Spalt zwischen den zwei Peters, Hoxton und dem Großen, den größten Männern im Raum. Gegenüber von ihnen saßen Newton und Leibniz nebeneinander in der ungünstigsten Anordnung, die man sich vorstellen konnte. Sie waren Silhouetten im Gegenlicht des Fensters, und vielleicht kam es einem kleinen Gnadenakt gleich, dass Daniel nur die Umrisse ihrer Perücken, aber nichts von ihrer Mimik erkennen konnte.
    Über Kikin sagte Peter der Große zu Newton: »Heute habe ich an Euch gedacht.«
    »Das ehrt mich, Eure Majestät. Darf ich fragen, in welchem Zusammenhang?« Newtons Kopfsilhouette neigte sich leicht zu Leibniz. Er vermutete, dass es etwas mit dem Kalkül zu tun hatte. Umso überraschter war er über Peters Antwort:
    »Gold! Ich habe nie den Tag vergessen, an dem Ihr mir die Münze gezeigt und mir erklärt habt, wie Gold aus allen Ecken der Welt zum Tower von London fließt, um dort zu Guineen geprägt zu werden. Heute habe ich an diesem Umlauf teilgehabt. Ich habe gewöhnliches Gold aus Russland in Eure Bank und schweres Gold vom Schiff Minerva in Dr. Waterhouses Gewölbe um die Ecke gebracht.«
    Newtons Schweigen dauerte lange. Daniel spürte Isaacs Blick auf sich, obwohl er ihn nicht sehen konnte. Sein Gesicht war warm, als fühlte er die Hitze von Isaacs Zorn, und er fragte sich, ob seine Haut immer noch erröten konnte.
    Und überhaupt, zum Teufel damit. Diese Sache mit dem Salomonischen Gold (ermahnte er sich) war nicht Daniels Angelegenheit. Er pfiff darauf. Als Gefälligkeit gegenüber Leibniz, dessen

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