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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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aus der Minerva in die Grabstätte der Tempelritter. Die Aufgabe bestand darin, alles, was heruntergebracht wurde, zu wiegen, die Gewichte in Hauptbücher einzutragen und die ganzen Zahlen und Summen in Einklang zu bringen: nicht besonders anspruchsvoll für zwei Männer wie diese. Während der Pausen verfielen sie in das, was Salomon Kohan sich unter Geplauder vorstellte:
    »Das ist ein interessanter Ort.«
    »Es freut mich, dass Ihr ihn interessant findet.«
    »Er erinnert mich an eine Tätigkeit, die ich vor langer Zeit in Jerusalem auszuüben pflegte.«
    »Nun, da Ihr es erwähnt: Der volle Name der Templer lautete ja Ritter vom Salomonischen Tempel. Wenn Ihr also der Salomon seid -«
    »Treibt keine Wortspielereien mit mir. Ich meine nicht dieses Loch in der Erde, diese mittelmäßige Krypta für längst vergessene Ritter, sondern das, was darüber liegt.«
    »Den Hof der Technologischen Wissenschaften?«
    »Falls das Eure Bezeichnung dafür ist.«
    »Wie würdet Ihr ihn nennen?«
    »Einen Tempel.«
    »Aha? Und von welcher Religion?«
    »Einer Religion, die voraussetzt, dass wir Gott näherkommen können, indem wir die Welt, die er gemacht hat, besser verstehen.«
    »Ihr meint, weil das der einzige uns zugängliche Beweis für seine Denkungsart ist.«
    »Den meisten von uns zugänglich«, räumte Salomon ein.
    »Ach, gibt es denn einen Rest von uns, der über andere Möglichkeiten verfügt, Gott kennenzulernen?«
    »Ja, fürwahr«, antwortete Salomon, »aber das auszusprechen ist gefährlich, denn fast alle, die zu diesem Rest zu gehören glauben, sind Scharlatane.«
    »Da ist es ja erfreulich, dass Ihr mich für tauglich haltet, an diesem Geheimnis teilzuhaben. Heißt das, Ihr habt mich für würdig befunden zu unterscheiden zwischen der Mehrheit der Scharlatane und der Minderheit der -«
    »Weisen? Ja.«
    »Heißt das, ich bin weise?«
    »Nein. Ihr seid nicht weise, sondern gelehrt. Ihr seid ein Mitglied der Societas Eruditorum .«
    »Leibniz hat davon gesprochen, aber ich wusste nicht, dass ich Mitglied bin.«
    »Es ist nicht wie bei diesen Leuten«, erklärte Salomon und klopfte mit einem Fingerknöchel auf einen Templer-Sarkophag, »mit Statuten und Initiationsriten und dergleichen mehr.«
    »Seid Ihr Mitglied?«
    »Nein.«
    »Seid Ihr ein Weiser?«
    »Ja.«
    »Was bedeutet, dass Ihr über Möglichkeiten verfügt, Dinge zu wissen, über die wir gelehrten Gesellen nicht verfügen. Wir müssen uns mit der Ausübung unserer Religion zufriedengeben.«
    »So wie Ihr es formuliert, klingt es unbefriedigend. Ändert Eure Meinung darüber. Es ist besser zu wissen, warum man etwas weiß, als die Dinge einfach nur enthüllt zu bekommen.«
    »Enoch Root – ist er weise?«
    »Ja.«
    »Und Leibniz?«
    »Gelehrt.«
    »Newton?«
    »Schwer zu sagen.«
    »Es scheint, als wüsste Newton einfach Dinge. Fertiges Wissen taucht in seinem Kopf auf – niemand sonst kann nachvollziehen, wie er dazu gekommen ist; und niemand sonst hat auch nur die geringste Chance zu tun, was er getan hat.«
    »Ja.«
    »Ist es eine Schwarzweiß-Unterscheidung, Weiser versus Gelehrter, oder gibt es auch Grauschattierungen? Wenn ich eines Tages Glück habe und mir etwas Geniales einfällt, bin ich dann weise?«
    »Dann habt Ihr teil an der Beschaffenheit von Weisheit oder Hexerei oder wie immer Ihr das auf Englisch nennt.«
    »Wie viele Hexenmeister gibt es denn jetzt gerade? Euch, Enoch, das macht zwei. Vermutlich Isaac.«
    »Ich habe keine Ahnung.« Hier wurde Salomon durch ein leises Geräusch von der Treppe her abgelenkt. In Erwartung eines Kosaken mit einer weiteren Goldladung blickten er und Daniel in diese Richtung, doch es war Saturn. Leise trat er auf sie zu. Daniel hatte keine Vorstellung, wie lange Saturn sich schon mit ihnen in dem Raum aufhielt, wie viel er gehört haben mochte. »Seid Ihr beide mit Euren Rechnungen fertig?«, fragte er schwach.
    »So schwierig sind sie ja nicht«, entgegnete Daniel. »Warum fragt Ihr? Werden wir gebraucht?«
    »Monsieur Romanow möchte gerne gehen.«
    »Ach wirklich? Wohin zieht es ihn denn so plötzlich?«
    »Während einer Gesprächspause«, sagte Peter Hoxton, »hörten wir Lärm von einer Menschenmenge, die sich in Hockley-in-the-Hole versammelte. Er fragte nach. Ich beging den Fehler, ihm zu verraten, dass es sich höchstwahrscheinlich um eine Stierhetze handelt. Jetzt will er unbedingt hingehen und sie sehen.«
    »Wer sind wir dann, dass wir ihn warten lassen?«

Eine Schänke, Hockley - in - the

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