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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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mehr hören?«
    »Wenn ich es so formulieren darf, Hoheit«, sagte Daniel, »Sir Isaac hat früh die Erfahrung gemacht, dass alles, was er öffentlich behauptete, zu seiner großen Verärgerung und Verwirrung leicht unter Beschuss geriet, und wurde deshalb zurückhaltend damit, irgendetwas zu behaupten, ehe er es bis ins Kleinste vervollkommnet und undurchdringlich gemacht hat. Die Praxis ist noch nicht fertig.«
    »Dann scheine ich wohl keinerlei Befriedigung zu erfahren!«, sagte Caroline, leicht schmollend.
    »Was ganz und gar mein Fehler ist, weil ich die Praxis erwähnt habe«, beeilte sich Daniel zu sagen. »Aber ich hatte einen Grund dafür, und zwar den, dass der öffentliche Sir Isaac zwar behaupten mag, das Problem, das Descartes’ Aufmerksamkeit so sehr fesselte, nicht zu sehen, der private Sir Isaac jedoch, wie ich glaube, genau an diesem Problem gearbeitet hat.«
    »Wie ich in den Principia Mathematica ganz deutlich erkläre«, sagte Isaac in einem etwas selbstgerechten hohen Trompetenton, »ist es nicht meine Absicht, in diesem Werk Ursache und Sitz der Kraft zu betrachten. Dass die Schwerkraft existiert und eine Fernwirkung besitzt, ist allseits bekannt. Warum und wie sie das tut, ist hier nicht Gegenstand der Betrachtung. Ich wäre aber kein Mensch, wenn mich nicht die Neugier umtriebe, was die Schwerkraft ist und wie sie wirkt; und selbst wenn es anders wäre, würden Baron von Leibniz und seine kontinentalen Anhänger mir in dieser Sache nicht einen Moment Ruhe gönnen. Also: Ja, ich möchte die Kraft verstehen. Ich habe hart daran gearbeitet. Die Unwissenden haben meine Mühen als Alchimie bezeichnet.«
    Das quittierte Daniel mit einem irritierten Blick, den Newton anerkennenswerterweise nicht übersah. » C’est juste! «, sagte Isaac. »Es ist nicht falsch , diese Arbeit Alchimie zu nennen, aber dieses Wort, das mit dem Ballast von Jahrhunderten beladen ist, wird ihr nicht gerecht.«
    »Erlaubt Ihr mir eine Frage über Eure Forschung auf diesem Gebiet – wie immer Ihr es zu nennen beliebt?«, fragte Leibniz.
    »Vorausgesetzt, sie enthält keine versteckten Widerhaken oder Triebfedern«, gab Isaac der Bitte statt.
    Daraufhin vollbrachte Leibniz das schwierige Kunststück, im selben Moment die Augen zu verdrehen, einen tiefen Seufzer der Verzweiflung von sich zu geben und seine Frage zu formulieren. »Wenn ich verstehe, was ›Kraft‹ in Eurer Metaphysik bedeutet -«
    »Was die einzige schlüssige Definition von ›Kraft‹ ist, die ich kenne!«, warf Newton mit einem Seitenblick auf die Prinzessin ein.
    Sichtbar bemüht setzte Leibniz die Miene eines Heiligen auf. »Sie scheint einen unsichtbaren Einfluss zu bezeichnen, der mit unendlicher Geschwindigkeit durch etwas hindurch wirkt, was Ihr Euch als luftleeren Raum vorstellt, und die Beschleunigung von Gegenständen verursacht – obwohl nichts sie zu berühren scheint.«
    »Wenn man von Eurer seltsam verklausulierten und eingeschränkten Verwendung der Begriffe ›luftleer‹ und ›Raum‹ hinwegsieht, ist das eine angemessene Beschreibung der Gravitationskraft«, billigte Newton ihm zu.
    »Nun gibt es in Eurer Metaphysik – die, wie ich einräumen muss, zufällig diejenige ist, die von nahezu jedermann angewandt wird – dieses Raum genannte Ding, das zum größten Teil leer ist, jedoch hier und da klumpige Stückchen namens Körper aufweist, ein paar große, schwere, runde, die wir Planeten nennen, aber auch jede Menge Gerümpel wie diesen Schürhaken, jenen Kandelaber dort, den Teppich und diese zweibeinigen belebten Körper, die auf die Namen Daniel Waterhouse, Prinzessin Wilhelmina Caroline von Brandenburg-Ansbach etc. hören.«
    »Das ist so offensichtlich, dass manche von uns voller Verwunderung einen gebildeten Mann Atemluft auf dessen Erwähnung verschwenden hören«, sagte Newton.
    »Manche dieser Körper richten sich nur nach den deterministischen Gesetzen der mechanistischen Philosophie«, sagte Leibniz, »so wie der Globus, der in den Kamin gerollt ist, weil Ihre Königliche Hoheit ihm einen Stoß gegeben hat. Mit den Körpern namens Daniel Waterhouse etc. verhält es sich etwas anders. Natürlich sind sie denselben Kräften ausgesetzt wie der Globus – unser Freund Daniel spürt ganz deutlich den Zug der Schwerkraft, sonst würde er davonschweben! Aber solche Körper funktionieren auf komplizierte Weisen, die durch die in Euren Principia Mathematica aufgestellten Gesetze nicht zu erklären sind. Wenn Dr. Waterhouse sich

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