Principia
Ihr noch etwas Zusätzliches?«
Newton sagte: »Wenn wir behaupten, dass nicht nur die Muskeln, sondern auch die Nerven und sogar das Gehirn selbst ›Kolben und Zylinder, Gewichte und Federn‹ sind, wie Ihr es formuliert habt, deren Treiben vielleicht von einem künftigen Hooke beobachtet und beschrieben werden wird, müssen wir immer noch erklären, wie diese Mechanismen von der Seele, dem Geist oder wie immer wir es nennen werden – dem Ding, das einen freien Willen besitzt, nicht deterministischen Gesetzen unterliegt und unser Menschsein ausmacht -, geformt werden. Das ist letzten Endes genau das Problem, über das wir uns schon früher unterhalten haben – das Problem, das Ihr langweilig findet, Daniel -, nämlich das der Beziehung zwischen Gott und dem Universum. Das Verhältnis von unseren Seelen zu unseren Körpern ist dem von Gott zum gesamten Universum ähnlich. Wenn Gott mehr als nur ein nicht auf seinem Besitz lebender Grundherr sein soll – mehr als nur der perfekte Uhrmacher, der fortgeht, nachdem er seine Uhr in Gang gesetzt hat -, dann müssen wir erklären, wie er die Bewegungen der Dinge in der Welt beeinflusst. So kommen wir wieder zu dem geheimnisvollen Phänomen namens Kraft zurück. Und wenn wir über die Bewegung von Lebewesen reden, müssen wir zu guter Letzt ein ähnliches Problem ansprechen, nämlich die Frage, wie wohl die Seele, die dem Körper innewohnt, den Gang dessen beeinflusst, was letztlich nur eine große, feuchte Uhr ist.«
»Hier könnte ich keine größeren Einwände haben«, sagte Leibniz. »Seele und Körper beeinflussen einander überhaupt nicht.«
»Woher weiß denn dann meine Seele, dass diese Kerze dort flackert?«, fragte Prinzessin Caroline. »Ich kann so etwas doch nur durch meine Augen wissen, die Teile meines Körpers sind.«
»Weil Gott ein repräsentatives Prinzip von der Kerzenflamme und allem anderen im Universum in Eure Seele gelegt hat«, erklärte Leibniz. »Aber das ist höchstwahrscheinlich nicht die Art, wie Gott Dinge wahrnimmt! Er nimmt alle Dinge wahr, weil er sie stetig hervorbringt. Deshalb lehne ich jede derartige Analogie ab, die das Verhältnis zwischen Gott und dem Universum mit dem zwischen uns und unseren Körpern gleichsetzt.«
»Ich verstehe Baron von Leibnizens Hypothese überhaupt nicht«, gestand Isaac.
»Wie lautet Eure Hypothese, Sir Isaac?«
»Dass der belebte Körper zum größten Teil eine determinierte Maschine ist, räume ich ja noch ein. Dass er vom Gehirn gesteuert wird, ist von Willis und anderen bewiesen worden. Daraus folgt doch nur, dass durch Gesetze nach Gottes Wahl die Seele über die Macht verfügt, auf das Gehirn einzuwirken und dadurch Bewegungen von Lebewesen zu beeinflussen.«
»Da haben wir ja schon wieder Descartes mit seiner Zirbeldrüse!«, spottete Leibniz.
»Mit der Zirbeldrüse hatte er unrecht«, sagte Newton, »aber ich gebe zu, dass zwischen seinem und meinem Denken darüber eine gewisse formale Ähnlichkeit besteht.«
»In beiden Fällen«, übersetzte Daniel, »herrscht ein gewisses Gefühl vor, dass ein freier, nicht-körperlicher, nicht-mechanischer Geist materielle Veränderungen in der Funktionsweise des Gehirnmechanismus bewirken kann.«
»Ich denke, das ist offensichtlich; desgleichen die Tatsache, dass Gott – der ebenfalls ein nicht-körperlicher Geist ist – die Macht hat, bei jedem beliebigen Ding in diesem Universum materielle Veränderungen zu bewirken – das heißt Kraft auf es auszuüben.«
»Und trifft es zu, dass Ihr, wenn Ihr Euch bei der Arbeit an Eurer Praxis mit Ursache und Sitz der Kraft beschäftigt, auch Kräfte dieser Art zu verstehen sucht?«
»Ich glaube nicht, dass irgendeine Darstellung der Kraft, die diesen Komplex ausließe, als vollständig betrachtet werden könnte.«
»Als Sir Isaac an den Principia arbeitete«, sagte Daniel, »habe ich ihn oben im Trinity besucht. Er hatte mich um Auskünfte gebeten, die mir in ihrer Zusammenstellung disparat erschienen: Gezeitentabellen, Einzelheiten über einen bestimmten Kometen und astronomische Beobachtungen von Jupiter und Saturn. Nun, es war ein langer Ritt, und als ich schließlich in Cambridge ankam, hatte ich herausgefunden, dass sich etwas wie ein roter Faden durch alles hindurchzog: die Schwerkraft. Sie bewirkt die Gezeiten, und in gleicher Weise bestimmt sie die Bahnen von Kometen und Planeten. Für uns ist das heute keine Frage mehr, aber damals war man sich durchaus nicht einig darüber, dass ein Komet,
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